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Märchensommer (German Edition)

Märchensommer (German Edition)

Titel: Märchensommer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Katmore
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einzige Bewohner mit Fell ist der riesige Hund deiner Tante.“
    Ein Hund? Riesig? „Niemand hat gesagt, dass in dem Haus noch ein anderes Monster außer meiner Mutter lebt.“ Ein Bild von Rusty, dem Rottweiler, schoss mir durch den Kopf. Als ich damals noch zu Hause gelebt hatte, fletschte der Köter jedes Mal seine Zähne hinterm Zaun und keifte mich an, wenn ich am Nachbargarten vorbeigelaufen war. Ein leiser Hauch von Unmut kroch in meine Stimme. „Und wie groß genau ist dieser Hund?“
    Eine Sekunde verstrich, bevor Julian antwortete. „Ich kenne Leute, die haben ihn schon mit einem Pferd verwechselt.“ Sein ernster Tonfall löste bei mir eine Gänsehaut aus. „Aber keine Angst. Sie füttern ihn gut, sodass er nicht auf die Idee kommt, kleine Rotzgören wie dich zu fressen.“
    Hinter mir quietschte eine Tür und erschreckte mich beinahe zu Tode. Julian und seine Schauergeschichten. Pah. Hatte ich wirklich gedacht, ein Monsterköter stünde hinter mir? Als ich mich umdrehte und in das freudestrahlende Gesicht meiner Mutter blickte, war das jedenfalls genauso schlimm.
    „Oh, da bist du ja!“ Sie streckte eine Hand nach mir aus, doch bevor sie meine Wange berührte, kam sie dann doch noch zur Besinnung und zog ihre Hand zurück. „Ich habe alle Papiere für deine Entlassung unterzeichnet. Draußen wartete das Taxi. Wir können uns also auf den Weg machen.“
    Miss Mulligan drückte meine Hand zum Abschied und begleitete uns noch bis zur Tür. Sie murmelte auch irgendwelches Zeug, doch ich hörte ihr schon gar nicht mehr zu. Die Gewitterziege war wahrscheinlich genauso froh darüber wie ich, dass wir uns nie wieder sehen würden.
    Julian verstaute meinen Rucksack neben zwei anderen Taschen im Kofferraum des Taxis. Dann kletterte er zu mir auf den Rücksitz. Gott sei Dank war meine Mutter vorne auf der Beifahrerseite eingestiegen.
    „Jetzt lächle und genieß die Reise“, flüsterte mir Julian zu. „Der Flug wird dir gefallen. Ich nehme an, du warst noch nie in einem Flugzeug?“
    „Flugzeug?“ Ach du Scheiße. Daran hatte ich ja noch gar nicht gedacht! Meine Knie begannen zu schlottern. „Gibt’s denn keine andere Möglichkeit, nach Frankreich zu kommen? Mit dem Auto vielleicht, oder mit dem Zug? Gegen ein Schiff sag ich auch nichts.“
    Julian runzelte die Stirn. „Was ist los? Hast du etwa Angst vorm Fliegen?“
    „So würde ich das nicht unbedingt ausdrücken.“ Denn ich war noch nie so weit oben gewesen. Um ehrlich zu sein, bekam ich schon eine Heidenangst, wenn ich nur die ersten paar Sprossen einer Leiter hochklettern musste. Ganz zu schweigen davon, dass ich mir beinahe in die Hose gemacht hätte, als ich es einmal gewagt hatte, mich aus meinem Fenster im dritten Stock zu lehnen. Die Wette hatte mir zwar einen brandneuen Pullover eingebracht, den Debbie zuvor bei H&M geklaut hatte, doch der Preis war schwer verdient gewesen. „Ich hab da nur so ein kleines Problem mit Höhen“, gab ich zu.
    Während er diese Information verarbeitete, kräuselte Julian die Lippen. „Dann lassen wir dich wohl am besten nicht am Fenster sitzen.“
    Nach weiteren vierzig Minuten Schweigen im Taxi erreichten wir endlich den Flughafen in Heathrow. Ich folgte dem Drachen auf Schritt und Tritt, um nicht versehentlich in den Menschenmassen, die hier in alle Richtungen hetzten, verloren zu gehen. Obwohl … worüber machte ich mir eigentlich Sorgen? Das war meine letzte Gelegenheit zur Flucht. Vielleicht sollte ich doch lieber ein kleines bisschen Abstand zu den beiden halten und dann, wer weiß, vielleicht eine falsche Abzweigung nehmen?
    Meine Schritte wurden kürzer und somit der Abstand zwischen mir und dem Unglück, das sich meine Mutter nannte, immer größer. Leute mit Koffern füllten den Weg zwischen uns. Ich verspürte auf einmal eine völlig neue Aufregung. Nach weiteren fünf Schritten blieb ich stehen und sah mich nach einem guten Versteck um.
    Da schob plötzlich jemand seine Finger unter die Träger meines Rucksacks und zog ihn mir von den Schultern. „Lass mich das für dich tragen. Wir wollen doch nicht riskieren, dass du noch deinen Flug verpasst, nur weil das Gepäck so schwer ist.“
    „Quinn!“ Ich wirbelte herum und schlang meine Arme um meinen Freund, wobei ich meine Nase in dem frischen Duft seiner dunklen Uniform vergrub.
    Quinn lachte und ließ meinen Rucksack fallen, als er durch meine enthusiastische Umarmung ein paar Schritte rückwärts taumelte. „Alles klar, Kleine. Ich hab

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