Märchensommer (German Edition)
gerade mein kleines Problem mit großen Höhen ausgeplaudert? Verräter!
Doch dann wurden meine Knie weich, als mir ganz plötzlich bewusst wurde, dass ich auf dem Weg in ein Land war, in dem keiner meine Sprache beherrschte. Au Backe! Wie sollte ich mich denn dort bloß verständigen?
Julian sank in den mittleren Sitz neben meiner Mutter und überließ mir damit den Platz am Gang. Völlig fertig ließ ich mich in den marineblauen Sessel fallen, mit den Gedanken bereits ganz woanders.
Die Stewardess forderte uns auf, die Gurte anzulegen. Ich schnallte mich an, doch der Gurt um meine Hüften war viel zu weit. Da hätte ich locker dreimal reingepasst. Ich machte die Schnalle noch einmal auf und suchte nach einem anderen, etwas kürzeren Gurt. Aber da war keiner.
„Warte. Ich helf dir.“ Julians Finger waren bereits an meinem Gurt, noch bevor ich überhaupt protestieren konnte.
Meine Hände zu meinen Schultern erhoben, sah ich zu, wie er mich anschnallte und dann an dem losen Ende des Gurtes zog, bis dieser straff um meine Hüfte saß. Sein verlockender Duft nach Wind und Meer hüllte mich ein. Ich leckte mir über die Lippen.
Sachte legte er seine Hand auf meinen Bauch. „Ist das zu eng?“
Ich schüttelte langsam meinen Kopf. Er blickte mir noch einen kurzen Moment länger in die Augen, dann lehnte er sich wieder zurück in seinen eigenen Sitz. Ich erinnerte mich daran, dass ich vielleicht lieber weiter atmen sollte, wenn ich nicht unbedingt in diesem Flieger ohnmächtig werden wollte, und holte tief Luft. „Danke“, murmelte ich dann.
Auf den kleinen Bildschirmen, die alle paar Meter an der Decke des Flugzeuges angebracht waren, hatte eine Stewardess begonnen die Maßnahmen für einen eventuellen Absturz zu erörtern. Ich hörte angestrengt zu und versuchte mir das richtige Vorgehen im unwahrscheinlichen Fall einer Wasserlandung einzuprägen.
„Wenn es so unwahrscheinlich ist, warum zeigen sie dann diesen verdammten Film?“ Ich biss die Zähne zusammen und hoffte, dass Julian mein Zittern nicht bemerkte. Pech. Der Bursche merkte alles.
„Entspann dich. Dir wird nichts passieren“, versuchte er mich zu beruhigen. Doch ich hörte ihm gar nicht erst zu.
Das Flugzeug rollte bereits auf die Startbahn. Ich verkrampfte mich in meinem Sitz und blickte starr auf die Rückenlehne meines Vordermannes. Über die Lautsprecher erklärte der Kapitän, dass wir unsere Uhren in Frankreich eine Stunde vorstellen müssten und dass das Wetter offenbar sonnig bei dreißig Grad Celsius sei. Die Flugzeit betrage in etwa eine Stunde. Er erwarte keine Turbulenzen, nur ein leichtes Rütteln durch den Wind, sobald wir die Grenze zwischen Land und Wasser passierten.
Na großartig. Ich machte mich schon mal auf den Höllenritt meines Lebens gefasst.
5. Ein fröhlicher Gedanke
Ich saß kerzengerade in meinem Sitz, umklammerte die Armlehnen und wollte echt nicht aus dem kleinen ovalen Fenster sehen. Doch ich konnte nichts dagegen machen, mein Blick schweifte ganz von allein zur Seite. Teile der Tragfläche bewegten sich gerade rauf und runter, wobei sie ein ächzendes Geräusch von sich gaben. Mir wurde übel.
Julian lehnte sich zu mir. „Keine Angst.“ Sein warmer Atem auf meiner Wange verlangsamte die Achterbahn in meinem Bauch. „Die Teile sind nicht kaputt. Der Kapitän testet nur, ob auch alles einwandfrei funktioniert.“
„Ist jetzt nicht schon etwas zu spät, um alles zu testen?“
„Das ist das Standardprozedere, glaub mir.“
Hoffentlich war das nicht nur dummes Gerede. Ich lehnte meinen Kopf zurück und blickte wieder starr geradeaus. Wir hatten mittlerweile die Rollbahn erreicht und das Flugzeug verharrte für einige Sekunden auf der Startposition. Plötzlich wurde das Geräusch der Turbinen um ein Vielfaches lauter. Schweiß perlte mir auf der Stirn.
Mit mörderischer Geschwindigkeit schnellte der Flieger plötzlich vorwärts und ich wurde nach hinten in den Sitz gepresst. Hilfe! Ich war doch noch viel zu jung zum Sterben! Ich hatte noch nicht mal meinen Führerschein. Meine Knöchel wurden weiß, so fest verkrampften sich meine Finger um die Armstützen.
Wenn doch nur Peter Pan hier wäre. Der wüsste, was zu tun wäre. Denk an etwas Schönes … Denk an etwas Schönes … Meine Lippen bewegten sich nur leicht, als ich das Mantra wie ein Gebet vor mich hin murmelte. Doch, oh nein! Mir fiel einfach kein schöner Gedanke ein.
Das Flugzeug flitzte die Startbahn entlang. Die Welt
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