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Märchensommer (German Edition)

Märchensommer (German Edition)

Titel: Märchensommer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Katmore
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heraus und fragte mich: „Hast du keinen Hunger, Chérie ? Ich kann dir eine Tasse Kaffee oder Tee bringen, wenn du möchtest.“
    „Nein danke.“ Ich klopfte mir auf den Bauch. „Das fantastische Abendessen von gestern wird mich sicher für ein oder zwei Wochen satt halten.“
    Ach du lieber Gott. Hatte ich ihr etwa gerade ein Kompliment für ihre Kochkünste gemacht? Ihr Lächeln bog sich bis zu ihren Ohren. Ich musste in Zukunft echt vorsichtiger sein, mit dem, was ich sagte.
    „Na gut. Sollen wir dann raus in die Weingärten gehen?“, schlug sie fröhlich vor.
    Ich lehnte mich zur Seite und blickte hinter sie. Bis jetzt waren nur wir beide hier draußen. „Kommt Albert nicht mit raus?“
    „Aber natürlich.“ Sie nahm meine Hand und zog mich hoch. „Albert und Julian sind schon vorausgegangen. Dein Onkel ist jeden Morgen bereits mit dem ersten Hahnenschrei auf und kann es kaum erwarten, bis er wieder hinaus aufs Feld gehen kann. Er liebt diese Weinberge über alles.“
    Er war bereits draußen? Julian auch? Seltsam, dass er sich gar nicht um meine Mutter kümmerte. Wahrscheinlich hatte er aber kurz nach ihr gesehen, während ich noch oben war und mich für den Arbeitstag vorbereitet hatte. Immerhin hatte ich beinahe zehn Minuten gebraucht, um ein dunkelrotes T-Shirt und eine schwarze Hose aus Maries Kleidern auszuwählen.
    Eigentlich wollte ich ja erst meine eigenen Sachen anziehen, doch dann dachte ich daran, dass sie bei der Arbeit in den Weinbergen vielleicht schmutzig werden würden. Sie sollten nett aussehen, wenn ich heute Nacht abhauen würde. Na ja, so gut es halt ging, wenn man von dem Loch im Hosenbein mal absah.
    Marie schlang ihren Arm um meinen, und wir spazierten los, den schmalen Weg entlang, der vom Haus rüber zu den Gärten führte. „Allez, Lou-Lou!“ , rief sie über ihre Schulter.
    Mit einem weiten Gähnen erhob sich der Koloss und trottete neben mir her. Ich drängte mich etwas dichter an meine Tante, doch sie versicherte mir, dass der Bernhardiner zahm war wie ein kleines Kätzchen. „Ich glaube, ein Eichhörnchen war bisher das größte Tier, mit dem sie sich jemals angelegt hat. Und selbst da ergriff unsere Lou-Lou die Flucht.“
    Ein Eichhörnchen? Ich lachte heiser. Wenn Lou-Lou auf den Beinen stand, ging sie mir bis zu den Hüften. Sie stupste meine Finger mit ihrer feuchten Schnauze an und schob dann ihren Riesenschädel unter meine Hand. Vermutlich wollte sie gestreichelt werden. Etwas zittrig kraulte ich ihr zotteliges Fell im Nacken. Fühlte sich nett an. Beinahe flauschig. Und ihren Kopf hatte sie bisher auch noch nicht gedreht, um mir die Hand abzubeißen. War wohl ein gutes Zeichen.
    Je näher wir zum Eingang der Weinberge gelangten, umso zappeliger wurde ich. Der Duft von jungen Weinreben wehte um mich. Alles roch so … grün. Und saftig. Ich lief etwas schneller. Da mich Marie nicht loslassen wollte, zog ich nun sie hinter mir her und nicht mehr umgekehrt. Die Weingärten lagen vor uns ausgebreitet, noch viel größer und weiter als die Landebahn am Flughafen. Sie reichten wohl eine Meile in beide Richtungen. Kies und Schottersteine knirschten unter meinen Schuhsohlen, als ich mich wie ein kleines Mädchen im Kreis drehte und die Schönheit dieses Ortes in mich aufsog. Tausende kleine Reben standen wie Zinnsoldaten in Reih und Glied. Sie reichten mir gerade mal bis zum Kinn.
    „Wahnsinn!“, sagte ich und staunte nicht schlecht.
    „Es überrascht mich nicht, dass es dir hier gefällt, Jona.“ Marie grinste mich an. „Hier in Frankreich sagt man: Entweder hasst du die Weinberge oder du liebst sie dein Leben lang. In deinem Fall würde ich sagen, es liegt dir im Blut, dass du dich mit den Weinbergen verbunden fühlst.“
    Es lag mir im Blut? Komische Wortwahl. Und doch hatte es nur eine Sekunde gedauert, bis sich dieser unglaubliche Ort mit mir verbunden hatte. Oder ich mich mit ihm. Unsichtbare Wurzeln schienen mir aus den Fußsohlen zu wachsen und sich tief in der Erde hier zu verankern. Ein angenehm warmes Gefühl in mir drin versuchte mir weiszumachen, dass ich endlich heimgekommen war.
    Reiß dich zusammen, Dummkopf. Das ist feindliches Gebiet.
    Ich streckte mein Rückgrat durch. Meine Gesichtsmuskeln verhärteten sich. „Was soll ich zuerst machen?“ Durch meine eiskalte Stimme distanzierte ich mich emotional sowohl von meiner Tante als auch von den Weingärten.
    „Hmm, mal überlegen.“ Marie tippte sich mit einem Finger auf die Lippen. „Du

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