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Märchensommer (German Edition)

Märchensommer (German Edition)

Titel: Märchensommer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Katmore
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mir die zerrauften Ponyfransen aus dem Gesicht. Die Bewegung rief Segmente aus meinen Traum wieder wach. Wie war das noch gleich … Salutieren? Hmm, da war doch noch etwas anderes. Als es mir mit einem Mal wieder einfiel, verzog ich stöhnend das Gesicht. Julian war geflogen. Sollte mich das irgendwie stutzig machen?
    Mensch, du hast dabei die Königin von England gepriesen, also krieg dich wieder ein. Seltsame Dinge passieren nun mal in Träumen.
    Ich drehte mich langsam zur Seite und blickte lange auf die Balkontür. Der Traum kam mir so wirklich vor. Julian war in die Hocke gegangen, bevor er in die Luft gestartet war. Genauso wie gestern Abend, als er den Vogel zurück ins Nest setzen wollte. Er hatte vor, da hochzu—
    Schwachsinn. Er war doch kein Mutant. Und Superman war er ganz sicher auch nicht. Ich seufzte frustriert und ließ mich zurück in mein Kissen fallen. Er war einfach nur Julian, der normale Junge von neben an. Irgendwie süß, aber ganz normal.
    Oder versuchte ich hier etwa, mir selbst etwas vorzumachen?
    In diesem Moment ging plötzlich ein Alarm neben mir los und ich sprang mit einem Schrei aus meinem Bett. Panisch schlug ich mit der flachen Hand auf den Wecker, dreimal, bis er endlich aufhörte so schrill zu klingeln. Eine Hand über mein rasendes Herz gepresst, sank ich in meinen Schreibtischsessel und lehnte meinen Kopf erleichtert nach hinten über die Rückenlehne.
    Oh Mann, was war das denn für ein verrückter Morgen? Vielleicht sollte ich lieber wieder unter die Decke kriechen und den Tag in zehn Minuten von neuem beginnen.
    Ich machte mit dem Sessel eine halbe Drehung, damit ich an mein Nachtkästchen rankam, und schnappte mir den Wecker. „Also, du doofes Ding, was ist dein Problem?“, brummte ich, denn ich war mir hundertprozentig sicher, dass ich den Wecker richtig gestellt hatte. Und zwar auf—
    „Mitternacht?“
    Mein Magen rutschte mir bis zu den Knien und meine Kinnlade kippte nach unten. Beide Zeiger standen kerzengerade auf der Zwölf. Aber das war unmöglich.
    Irgendwo in meinem Hinterkopf begann leise der Soundtrack von Die Schöne und das Biest zu spielen, und ich sah Herrn von Unruh vor mir, dessen Zeiger in seinem großen, runden Disneygesicht wild im Kreis liefen.
    Das machte alles keinen Sinn.
    Mit einem Stirnrunzeln schielte ich rüber zur Balkontür, als ob die Antwort auf all meine Fragen da draußen läge. Doch was war da schon, außer zehn Hektar Weinberge?
    Julian.
    Es mochte ja absurd klingen, doch ich bekam mehr und mehr das Gefühl, dass hier irgendetwas nicht ganz koscher war. Besonders er nicht. Diese ständigen Glücksgefühle, wenn er mich berührte … das war schon etwas mehr als ganz normaler Irrsinn. Das war bizarr.
    Da ich meinen Flug ohnehin schon wieder verpasst hatte—zum zweiten Mal—sollte ich meine Flucht vielleicht generell um ein paar Tage verschieben und hier etwas Detektivarbeit leisten. In Anbetracht der netten Stunden, die ich gestern mit Julian verbracht hatte, und Maries herzlicher Fürsorge würden mich ein paar Tage mehr oder weniger in diesem Haus schon nicht umbringen. Selbstverständlich würde meine oberste Priorität weiterhin sein, dem Drachen aus dem Weg zu gehen. Sollte an sich machbar sein. Sie kam ja sowieso nur zu den Essenszeiten aus ihrem Zimmer gekrochen und da musste ich Gott sei Dank weder neben ihr sitzen, noch mit ihr reden. Ich würde mich einfach voll und ganz auf Julian konzentrieren—das Objekt meiner Ermittlungen.
    Ich holte meinen Notizblock aus der Schublade und begann gleich die wichtigsten Dinge über ihn aufzuschreiben. Schließlich würde Sherlock Holmes genau das Gleiche tun. Und wichtig stand in diesem Fall für seltsam .
    Da war zuallererst dieses merkwürdige Glücksgefühl, mit dem er mich jedes Mal infizierte, wenn er mich berührte. Ich starrte die weiße Wand vor mir an. War es denn so schlimm, sich gut zu fühlen? Nein, nein! Bleib gefälligst bei der Sache! Ich blinzelte ein paar Mal und setzte meine Liste fort. Der nächste Punkt betraf die Wiederbelebung meiner Mutter, wenn ihm niemand dabei zusah. Besser gesagt—wenn er dachte es würde ihm niemand zusehen. Dann war da noch der seltsame Moment gestern Abend, als er versucht hatte, die Welt durch meine Augen zu sehen, und ich mich dabei fast an ihn geklammert hätte. Und zu guter Letzt, das eigenartige Verhalten mit dem Vogel, als er vom Boden losstarten wollte.
    Sollte ich auch das Fliegen aus meinem Traum festhalten?
    Nein, der Traum

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