Märchenwald Mörderwald
hatte.
»Moment, ich bin gleich wieder zurück.« Sie eilte in die Küche und wunderte sich über sich selbst, dass sie es ohne Probleme schaffte. Im Kühlschrank fand sie die Flasche mit dem Wasser. Ein Glas nahm sie nicht mit. Auf dem Weg zu Peter drehte sie am Verschluss. Sie hörte das leise Zischen und freute sich über das Funkeln in den Augen ihres Mannes. Er hatte die Flasche gesehen, griff danach und setzte sie an.
Seine Hand zitterte ein wenig, aber er behielt die Öffnung gegen den Mund gedrückt und ließ das Wasser in seine Kehle laufen. Es tat ihm gut. Er schluckte und stöhnte dabei leise vor sich hin.
Marisa rückte einen zweiten Sessel so zurecht, dass sie in seiner Nähe saß.
Peter Benson setzte die Flasche ab. Danach schaute er seine Frau an, und die blickte ihm ins Gesicht.
Beide sprachen kein Wort. Sie kommunizierten stumm miteinander. Jeder wartete darauf, dass der andere etwas sagte, und Marisa fiel auf, dass Peter schlecht aussah. Sein Gesicht wirkte grau. Falten hatten sich hineingegraben, und wenn sie sich seine Schuhe anschaute, sah sie den Lehm und die Blätter daran kleben, als wäre er noch vor kurzem in seinem Revier gewesen.
»Du hast hier geschlafen, nicht wahr?«
Er deutete ein Nicken an.
»Kannst du dich erinnern?«
Peter verzog die Mundwinkel. »Du denn?«
»Ich weiß es nicht, aber ich gebe zu, dass ich damit schon meine Probleme habe.«
»Eben.«
Marisa wollte kein langes Schweigen aufkommen lassen und sagte: »Ich bin im Bett gewesen.«
»ja...«
»Du aber nicht?«
Er schaute sie an und schüttelte den Kopf. Er konnte nichts sagen, aber sie sah, dass er sich quälte und nach der Erinnerung suchte. Plötzlich hatte sie das Bedürfnis, ihren Mann umarmen zu müssen, um ihm Trost zu spenden. Sie warf sich gegen ihn und flüsterte ihm beruhigende Worte ins Ohr.
Sie saugte dabei den Duft seiner Kleidung auf. Sie roch den Wald darin, und als sie näher über diesen Geruch nachdachte, da fiel bei ihr die Klappe.
Plötzlich war die Erinnerung wieder da, als hätte jemand einen Vorhang weggezogen, und sie stemmte sich so heftig von Peter weg, dass dieser erschrak.
»Was ist denn?«
Marisa atmete schwer und ließ sich wieder in ihren Sessel fallen. »Ich weiß jetzt, wo wir in der Nacht gewesen sind.«
»Ach...?«
»Im Wald, Peter. Wir sind in den Wald gelaufen. Ja, verdammt, das haben wir getan.«
»Im Wald?«
»Ja.«
»Und warum ?«
Obwohl Marisa Benson noch nicht ganz auf der Höhe war, hatte sie diese Frage erwartet. »Ich kann es dir nicht genau sagen, aber wir mussten hinein. Es war, als hätte uns etwas gelockt, und ich glaube, dass auch Ricky dabei war. Erinnerst du dich denn nicht mehr?«
»Nur sehr schwach.«
»Und sonst?«
»Was meinst du damit?«
»Das will ich dir erklären«, flüsterte Marisa. »Du bist zuvor mit dem Lord im Wald gewesen. Hast du das vergessen? Er wollte die Asche seiner Schwester verstreuen.«
Der Förster dachte nach. Es war ihm anzusehen, dass die Erinnerung nur intervallartig zurückkehrte. Schließlich bestätigte er die Worte seiner Frau.
»Gut, dass du dich erinnert hast, Peter. Aber ich weiß nicht mehr, wie wir es geschafft haben, den Wald zu verlassen, und was dort mit uns geschehen ist.«
»Das weiß ich auch nicht.« Benson schlug kurz gegen seine Stirn. »Es ist alles weg. Als hätte man mir die Erinnerung geraubt.«
Marisa nickte. »Es ist alles so, wie du es gesagt hast. Ich kann nichts anderes sagen, aber es ist wichtig, dass es uns beide noch gibt und dass es uns gut geht. Wir brauchen nur ein wenig Zeit, dann wird alles andere so sein wie früher.«
»Das hoffe ich auch.«
»Bestimmt.« Sie lachte, auch wenn es nicht echt klang. »Und jetzt werde ich Frühstück machen.«
»ja, tu das. Und ich springe unter die Dusche.«
Die Aufgaben waren verteilt. Jeder würde sich daran halten, jeder versuchte, den anderen so viel Normalität wie möglich spüren zu lassen, auch wenn es den beiden Menschen nicht leicht fiel.
Peter Benson betrat die Dusche. Er selbst hatte den Raum ausgebaut und gekachelt. Er hatte auch eine Wand eingerissen, denn er liebte große Räume, was auch für die Dusche zutraf. Allerdings war das Fenster mit seiner Milchglasscheibe recht klein. Er stellte es schräg und fing an, sich zu entkleiden.
Seine Gedanken beschäftigten sich mit der vergangenen Nacht. Dort war etwas geschehen, das stand für ihn fest. Er erinnerte sich an einige Dinge, die mit dem Besuch des Lords zusammenhingen.
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