Mafiatod
eine bessere als draußen.«
»Wir Minderheiten müssen eben zusammenhalten.«
Er lachte. »Ja, Junge, du gefällst mir. Aber ich wollte etwas Wichtiges sagen. Über die Familie. Der Schwarze hat zwar die gleiche Sehnsucht nach Respekt wie der Italiener oder der Jude oder der Ire oder der Grieche, aber er hat nicht das gleiche Familiengefühl. Verstehst du, was ich meine? Seine Vorfahren sind als Sklaven hergebracht worden: Der Vater wurde hier verkauft, die Mutter dort, und auch die Kinder mussten dorthin gehen, wohin sie verkauft wurden. Und es ist noch gar nicht so lange her, seit der Sklavenhandel aufgehört hat.«
»Hundert Jahre«, bemerkte ich.
»Das ist keine lange Zeit. Er wird immer noch nicht rührselig, nur weil er irgendwelche Familienbilder sieht. Auch diesen Punkt muss man bedenken.«
»Ja, das sehe ich ein.«
»Es ist schön hier«, sagte er unvermittelt. Er holte geräuschvoll Luft und atmete zum See hin aus. »Ich werde noch eine Weile hierbleiben, eine Woche oder so, bis die Sache in Schwung kommt. Bis dahin solltest du auf jeden Fall warten. Warum nicht auch hierbleiben?«
»Darüber habe ich noch nicht nachgedacht«, erwiderte ich.
»Wir müssen einander kennenlernen. Vater und Sohn. Was meinst du?«
Ich zuckte die Schultern. »Ich weiß nicht. Ich will mir’s überlegen.«
Er klopfte mir auf die Schulter. »Tu das. Wir können morgen darüber reden. Kommst du mit mir hinauf?«
»Brauchst du mich?«
»Nur wenn du mitkommen magst. Jetzt ist ja nur die geschäftliche Seite zu besprechen.«
»Ich bleibe noch ein Weilchen hier.«
»Schön. Wir sehen uns morgen früh.«
»Klar.«
Er ging hinein. Ich hörte ihn die Treppe hinaufsteigen. Ich saß noch eine Zeit lang draußen und blickte über den See. Schließlich warf ich die Flasche ins Wasser und begab mich in mein Zimmer. Ich packte meinen Koffer, verließ das Haus durch die Seitentür und stieg zur Straße hinauf. Im Thronsaal wurde noch immer geredet.
Ich sagte zu einem der Fahrer: »Sie sollen mich in die Stadt bringen.«
Er tat es und setzte mich an der Greyhound-Station ab. In einem Lokal auf der gegenüberliegenden Straßenseite wartete ich, bis der Bus nach New York kam. Dann stieg ich ein und legte mich schlafen.
22
In Hudson wachte ich auf; vor den Fenstern lag das trübe Grau der Morgendämmerung. Es regnete, und die langen Wischer fuhren hin und her über die Windschutzscheibe. Ich saß in der Mitte auf der rechten Seite. Außer mir waren nur noch vier Fahrgäste im Bus. Ich hatte beide Sitze für mich und deren Lehnen zurückgeklappt, und darauf lag ich in einem unbequemen Winkel, den Kopf an der Fensterscheibe, meine unbeschuhten Füße ragten in den Mittelgang hinaus. Ich hatte einen Krampf, weil ich diese Stellung zu lange eingenommen hatte. Ich fühlte mich wie nasse Wolle.
Ich war aufgewacht, weil der Bus hielt. Von der Station her kam ein Mann gelaufen, der sich einen glänzenden schwarzen Regenmantel über den Kopf gezogen hatte. Der Fahrer stieß die Tür auf, und während der Mann am Straßenrand stand, unterhielten sie sich mit lauten Worten. Dann machte der Mann kehrt und lief ins Stationsgebäude zurück; der Fahrer warf die Tür zu, und wir verließen Hudson. So geht es immer zu, wenn es regnet. Ich weiß nicht, was die beiden einander zu sagen hatten.
Ich fand keinen Schlaf mehr. Da ich auf der falschen Seite saß, konnte ich den Tag nicht heraufdämmern sehen; ich blickte in die Dunkelheit hinaus und wünschte, der Bus führe nach Binghamton.
Allmählich wurde es draußen heller, und ich sah im Vorbeifahren die Ortschaften Red Hook und Rhineland und dann Kingston auf dem anderen Flussufer. Danach West Park und Highland und später, als es wieder über den Fluss ging, Poughkeepsie. Wappinger Falls und Fishkill und Beacon, Peekskill und Ossington und zum Schluss Tarrytown, White Plains und Yonkers und dann New York.
Ich stieg an der 50th Street aus. Ich ging ein Stück zu Fuß und betrat an der 52nd Street das Cuttington Hotel.
Jetzt suchten mich wahrscheinlich alle schon, deshalb musste ich mich unter falschem Namen eintragen. Unterwegs hatte ich mir den Namen Matthew Allen ausgedacht. Das war ein Name, der nicht weiter auffiel, außerdem fing er mit anderen Buchstaben an.
Manchmal passieren einem idiotische Sachen. Ich bekam es mit der Angst, als mir das Formular zugeschoben wurde. Noch nie hatte ich einen falschen Namen angegeben. Meine Hand zitterte so sehr, als ich den Namen schrieb, dass
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