Mafiatod
es überhaupt nicht meine Schrift war. Und ich konnte der Angestellten am Pult nicht in die Augen sehen. Sie verbrachte viel Zeit mit der Erklärung, dass ich zu einer ungewöhnlichen Stunde einzöge und dass sie mir die letzte Nacht anrechnen müsse, weil der Tag erst um drei Uhr nachmittags endete. Ich sagte ihr, das wäre schon recht, und sobald ich konnte, eiste ich mich von ihr los und folgte dem Boy.
Als ich allein im Zimmer war, fand ich die ganze Sache komisch. Nach allem, was sich ereignet hatte, beinahe in Ohnmacht zu fallen, nur weil ich einen falschen Namen schreiben musste! Ich legte mich aufs Bett und lachte unbeherrscht. In einem Winkel meines Gemüts erschrak ich über das Lachen. Dann schlug das Lachen ins Gegenteil um, und ich weinte. Hierauf lachte ich, weil es komisch war zu weinen, und ich weinte, weil es traurig war zu lachen. Als ich mich völlig leer fühlte, schlief ich ein.
Um ein Uhr erwachte ich mit schmerzenden Füßen. Ich hatte meine Schuhe nicht ausgezogen. Ich zog mich aus, duschte und ging nackt im Zimmer umher, bis alle Steifheit vertrieben war. Schließlich setzte ich mich angezogen an den Schreibtisch und schrieb einen kurzen Brief an Onkel Henry, in dem ich ihn bat, mir alle Mitteilungen unter dem Namen Matthew Allen an dieses Hotel zukommen zu lassen. Nicht zur Weitergabe durch Matthew Allen, sondern direkt an Matthew Allen adressiert. Danach verließ ich das Zimmer.
Ich kam noch beizeiten zur Bank, wo von den dreitausend Dollar, die Bill auf unser gemeinsames Konto eingezahlt hatte, noch etwas über die Hälfte lag. Ich hob zweihundert ab, kehrte in einem kleinen Restaurant ein und frühstückte, umgeben von Menschen, die bei einem späten Mittagessen saßen. Und dann hatte ich überhaupt nichts mehr zu tun. Ich kaufte vier Taschenbücher sowie ein Kartenspiel und kehrte in mein Hotelzimmer zurück.
Ich war mir darüber im Klaren, dass Kapp mit seinem Rat, noch abzuwarten, bevor ich auf Ganolese losging, recht hatte. Wenn ich ihn packen wollte, ohne selbst umzukommen, war es besser, mich zu gedulden, bis er abgelenkt wurde. Kapp und seine Clique waren ein gutes Ablenkungsmittel. Wenn sie erst einmal losschlugen, konnte ich meinen Zug tun.
Das Entscheidende war, dass ich keine Lust hatte, bei meiner Racheaktion selbst draufzugehen. Ich wollte mich nicht opfern. Ich wollte da lebend wieder herauskommen. Also war es am besten, zu warten.
Aber zum Warten tauge ich nicht. An diesem ersten Nachmittag las ich eine Weile, und dann zerriss ich alle vier Bücher. Es waren handlungsstarke Kriminalromane, die dazu dienen sollten, nicht mehr über mich selbst nachzudenken. Stattdessen bohrten sie in der offenen Wunde, die ich nicht zu beachten versuchte. Sie erinnerten mich daran, dass ich, wenn alles gut ging, tatsächlich lebendig aus der Sache hervorgehen würde. Und gerade an diese Zeit wollte ich unter keinen Umständen denken.
Das Leben verbraucht die Menschen. Wenn ich mit dieser Sache fertig war, konnte ich wohl kaum mehr derselbe Mensch sein wie an dem Tag, als mich die Air Force zu einem Zivilisten gemacht und ich Dad wiedergesehen hatte. Was für ein Mensch ich dann sein würde, welchen Lebensinhalt oder welches Ziel ich dann finden könnte, das wusste ich nicht. Ich wollte mich mit dieser Frage auch nicht beschäftigen. Doch ich musste am Leben bleiben, sonst wären die anderen doch die Sieger und ich der Verlierer, ja, ich musste es einfach, sogar wenn es galt, sie alle umzulegen und dann mich selbst umzubringen.
Für die Hauptpersonen in den Büchern war es leichter. Sie litten, sie ließen sich mit verängstigten und gehetzten Menschen ein, sie gingen mit dem plötzlichen Tod um wie mit einer Flohmarktware. Aber sie gingen unverändert aus allem hervor. Was sie durchgemacht hatten, hinterließ bei allen nicht die geringsten Spuren.
Es wäre schön gewesen, wenn ich das hätte glauben können. Aber die Schriftsteller schwindelten. Sie verbrauchten ihre Helden nicht, weil sie sie für den nächsten Band der Serie noch benötigten.
Schließlich ging ich aus und kaufte eine Flasche Old Mr. Boston. Am Freitag begab ich mich in die Bibliothek und verbrachte den ganzen Tag damit, in der Zeitungsabteilung über Ed Ganolese nachzulesen. Anscheinend hatte er von Zeit zu Zeit eine gerichtliche Vorladung erhalten und hatte vor irgend einem Untersuchungsgremium Fragen beantworten müssen. Stets galt die Untersuchung einem anderen, und gewöhnlich wurde Ganolese nach seiner
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