Magazine of Fantasy and Science Fiction 02 - Das letzte Element
Augen ruhten, von den schwarzen Tentakeln, die sich des Nachts über das Krankenhaus ausstreckten, von dem unterdrückten aber durchaus vorhandenen Verlangen, ihn mit Dolchen und Kugeln zu behandeln, und zwar bald. Er war gezwungen, zu improvisieren, und er wußte, daß seine Argumente nicht hieb- und stichfest waren.
»Nun – alle anderen Fälle bewiesen, daß das Eingreifen in den Prozeß des Träumens ernste geistige Störungen hervorruft. Selbst die widerstandskräftigste unserer anderen Versuchspersonen brach nach weniger als zwei Wochen zusammen. Wir haben Starling jede Nacht daran gehindert, zu träumen, und das nun schon seit fünf Monaten, und selbst wenn bis jetzt noch kein Anzeichen dafür vorhanden ist, daß wir ihm schaden, so ist es doch wahrscheinlich, daß wir ihn auf irgendeine Weise gefährden.«
Daventry hatte sich eine Zigarette angezündet. Jetzt machte er eine Handbewegung, als wollte er Wills Argumente beiseite wischen.
»Großer Gott, Harry!« sagte er leutselig. »Was für Schaden fügen wir ihm denn schon zu? Haben Sie irgend etwas festgestellt, als Sie Starling das letztemal den Tests unterzogen?«
»Nein – letzte Woche nicht, morgen sind sie wieder fällig. Nein – was ich meine, ist, daß alles darauf hindeutet, daß Träume notwendig sind. Vielleicht ist bei den Tests keiner dabei, der die Wirkung anzeigt, die der Mangel von Träumen auf Starling hat, aber irgendwie muß sich das bemerkbar machen.«
Daventry nickte unbeteiligt. »Haben Sie Starling selbst schon einmal daraufhin angesprochen?« fragte er.
Wieder mußte er seine Niederlage zugeben: »Ja. Er sagt, er wäre vollkommen glücklich und bereit, weiter zu machen. Er sagt, er fühlt sich wohl.«
»Wo ist er im Augenblick?«
»Heute ist Dienstag. Jeden Dienstag nachmittag besucht er seine Schwester in der Stadt. Ich könnte es überprüfen, wenn Sie wollen, aber –«
Daventry zuckte die Achseln. »Machen Sie sich keine Mühe. Ich habe nämlich gute Nachrichten für Sie. Meiner Ansicht nach sind sechs Monate lang genug, um zu beweisen, daß der Mangel an Träumen Starling nicht das geringste ausmacht. Was dann noch von Interesse ist, das sind die Art der Träume, die er danach hat. Deshalb habe ich vor, das Experiment in drei Wochen zu beenden.«
»Wahrscheinlich wird er sich ganz automatisch selbst aufwecken, wenn er wieder einmal träumt«, sagte Wills.
Daventry nahm die Worte äußerst ernst auf. »Wieso glauben Sie das?«
Wills hatte es eigentlich mehr als einen bitteren Spaß angesehen; als er darüber nachdachte, fand er kaum eine Antwort. »Die Art, wie er die Behandlung durchsteht, wie kein anderer zuvor es fertigkriegte.
Aber der Mensch braucht Träume; jemand, der ohne sie auskommt, ist genauso unwahrscheinlich wie einer, der ohne Essen und Trinken existiert.«
»Das haben wir gedacht«, antwortete Daventry kurz. Wills konnte sich die Konferenzschriften vorstellen, die ihm durch den Kopf gingen, die Berichte für das Journal für Psychologie und die vier Seiten im Scientific American , mit Fotografien und allem, was noch dazugehörte. »Das hatten wir geglaubt. Bis wir Starling begegneten und er uns bewies, daß wir uns getäuscht hatten.«
»Ich –« begann Wills, aber Daventry beachtete ihn nicht und fuhr fort:
»Dements Arbeit in Mount Sinai war nicht endgültig, wie Sie wissen. Sich an erste Ergebnisse klammern, ist eine falsche Einstellung. Wir sind jetzt gezwungen, den Gedanken fallenzulassen, daß das Träumen unbedingt erforderlich ist denn Starling lebt nun schon monatelang ohne einen einzigen Traum, und was uns betrifft, so können wir sagen – natürlich bin ich auch dafür: bis dahin und nicht weiter –, daß er unter dem Experiment nicht gelitten hat.«
Er klopfte die Zigarettenasche in den Becher auf seinem Schreibtisch. »Eh – was war doch meine Neuigkeit für Sie, Harry? Ach so, wir beenden die Versuchsreihe mit Starling genau nach sechs Monaten, auf den Tag. Dann werden wir sehen, ob er wieder zum normalen Träumen zurückfindet. Vor dem Experiment waren seine Träume ganz normal; es wird interessant sein ...«
Das war ein bescheidener Trost, aber immerhin gab er ihm ein Ziel, auf das er hinarbeiten konnte. Auch enthob es ihn zum Teil der Befürchtung, sein ganzes weiteres Leben lang in seinen Gedanken die Gegenwart des vampirartigen Leichnams akzeptieren zu müssen. Es ermutigte ihn auch – bis es Zeit wurde für Starlings nächste Testserie.
Schon eine halbe Stunde vorher
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