Magazine of Fantasy and Science Fiction 06 - Die Überlebenden
Älteste war beschämt. »Wir haben seit dem Frieden zuviel vergessen, um das, was um uns vorgeht, begreifen zu können. Aber einer von uns sieht uns gehen, und die Heimat zerstört, und zwar so bald schon, daß wir keine Zeit haben, um den Gründen nachzuforschen.«
Da wir dann sogleich die Konferenz fortsetzten, die wir durch Gedankenverbindung abhielten, lösten sich unsere Proteste, Argumente und Rufe schnell auf, denn wir mußten versuchen, etwas zu planen, von dem wir nichts verstanden.
»Wenn wir gehen müssen«, sagte ich erregt, »dann müssen wir wieder etwas schaffen. Ein Werkzeug. Nein, das ist nicht der richtige Ausdruck. Wir haben ja noch Werkzeuge. Der Mensch schafft Werkzeuge, nein, es ist eine Maschine, die wir machen müssen, eine Maschine. Wir sind noch nicht von Maschinen beherrscht worden –«
»Nicht während der letzten Generationen«, unterbrach mich David. »Nicht seit –« Er hielt inne und ließ den Strom unserer Vorfahren in seinem Gedächtnis aufmarschieren. »Seit der Zeit von Evis Großvater.«
»Trotz allem«, sagte der Älteste, »wir müssen Schiffe bauen.« Seine Zunge verweilte lange auf dem ungewohnten Wort. »Ich bin mit den anderen Ältesten der Heimat in Verbindung getreten. Unsere Gruppe muß sechs Schiffe bauen.«
»Aber wie sollen wir das tun?« fragte Neil. »Wir haben keine Pläne. Wir kennen diese Dinge nicht mehr. Wir haben fast alles vergessen. Aber ich weiß, daß wir etwas in Gang setzen müssen, wenn wir die Heimat verlassen, etwas, das wir alle zusammen nicht fertigbringen.«
»Den – den Treibstoff haben wir«, sagte der Älteste. »Wenn es soweit ist, jedenfalls. Meine Vorfahren kannten den Treibstoff. Wir würden ihn nicht brauchen, wenn unsere Motivierer ihre Gabe voll entwickelt hätten –«
»Wir alle müssen in dem Leben unserer Vorfahren forschen und in unserem eigenen, um die Einzelheiten herauszufinden, die wir in dieser Stunde der Not benötigen. Bei der Gegenwart, dem Namen und der Macht, laßt uns daran denken.«
Fast schweigend verging der Abend, während wir unsere Gedanken öffneten, um unsere Erinnerung zu durchforschen. Diese Erinnerung reichte zurück bis zum Entstehen unserer Heimat. Manche Familien bargen in ihren Erinnerungen speziellere Gebiete als andere. Von Zeit zu Zeit ertönte ein Seufzen und Stöhnen. »Meine Vorfahren kannten sich in Metallen aus.« Oder »Meine mit Instrumenten« – die Worte waren fremd – »den Instrumenten des Drucks und der Temperatur.«
»Meine«, entdeckte ich plötzlich mit einem Seufzen, »wußten, wie die Höhlen und Schalen von Schiffen zusammengesetzt werden.«
»Ja«, nickte David. »Und auch, von den Vorfahren meines Vaters, wie die Geräte, wie – die Instrumente zusammengesetzt werden, die das Schiff lenken.«
»Die Navigation«, bemerkte die tiefe Stimme Neils. »Meine Vorfahren wußten, wie die Navigationsmaschinen gemacht werden, und eure, wie sie zusammengesetzt gehören.«
»Und all das wäre nicht so schwierig, wenn wir nicht so lange und so bequem von den Erfahrungen unserer Vorfahren gelebt hätten!« Ich fühlte, wie sich manche empört von mir zurückzogen.
Als der Abend zu Ende ging, trug jeder von uns Alten nicht nur die Last auf sich, daß unser Heim untergehen würde, sondern auch einen Teil der Vergangenheit, der in der ruhigen Zurückgezogenheit jedes einzelnen Heims immer wieder und von neuem erforscht werden mußte.
»Bis –«, der Älteste erhob sich plötzlich und stützte sich schwer auf den Tisch, »bis wir alle Mittel zusammenhaben, um die Heimat verlassen zu können ...«
Simon und Lytha warteten zusammen mit Chell auf uns, als David und ich nach Haus zurückkehrten. Simon schlüpfte ins Schlafzimmer und weckte Davie. Seine Gedanken eilten ihm voraus. Hat er es gesagt? Und ich antwortete ihm beruhigend: Nein. Und er wird es auch nicht tun.
Trotz – oder vielleicht wegen – der Erregung, die ich den ganzen Abend über verspürt hatte, fühlte ich mich plötzlich hohl und leer. Ich ließ mich auf einen Stuhl sinken und preßte die Hände gegen das Gesicht. »Sag du es ihnen, David«, sagte ich.
David schluckte mehrmals. »Es hat in diesem Jahr keine Failova gegeben, weil die Heimat aufgelöst wird. Beim nächsten Erntetag wird es keine Heimat mehr geben. Bis dahin wird sie zerstört sein. Wir können nicht einmal sagen, warum. Wir haben zuviel vergessen. Und jetzt ist nicht mehr Zeit genug, nach den Ursachen zu forschen, aber lange vor dem nächsten
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