Magazine of Fantasy and Science Fiction 07 - Musik aus dem All
Gäste in der Bar übertrug, bis die gesamte Fleet Street ihm die Worte ins Ohr zu brüllen schien: »Pete Kelly. Er erwischt jeden. Pete Kelly.« Wie ein Echo hallten diese Worte in seinem Kopf wider, lagen wie ein Gewicht auf ihm und dröhnten ihm in den Ohren. Er fühlte, wie er die Beherrschung verlor. Mit einer plötzlichen Bewegung fegte er sein Glas von der Bar und starrte die verzerrten Gesichter seiner Peiniger im Spiegel an. »Verflucht. Verflucht seid ihre alle. Und verflucht sei auch Pete Kelly!« Dann bahnte er sich einen Weg durch die Menge und durch das unbehagliche Schweigen, das seinem plötzlichen wilden Ausbruch gefolgt war.
Aber bevor er die Tür erreichte, johlte die Stimme noch einmal: »Sieh dich vor, Jon. Vielleicht wartet er draußen auf dich. Vielleicht wartet Pete Kelly auf dich.« Wieder brach alles in lautes, schallendes Gelächter aus, das zu einem Brüllen anschwoll und ihm bis auf die Straße folgte. Hastig warf er die Tür hinter sich zu, und das Gelächter wurde erstickt wie ein Ton, den man im Radio leiser stellt. Zitternd und mit Schweißperlen auf der Stirn lehnte er sich gegen die Wand. Das Gewicht der Whiskyflasche in seiner Jacke erinnerte ihn daran, daß er etwas zu trinken benötigte. Gott, wie sehr er das benötigte!
Der Himmel war vom Dunst verdunkelt. In der Fleet Street herrschte Ruhe. Bald würde das geschäftige Rattern der Druckpressen ertönen, unter ihnen jene seiner eigenen Zeitung, der Daily Sun . Und die Cartoonzeichnungen auf der Rückseite der heutigen Nachtausgabe würden ihre Leser erfreuen, so wie sie es während der letzten dreizehn Jahre getan hatten, indem sie ein Erlebnis von Pete (erwischt jeden) Kelly, dem berühmtesten, dem sympathischsten und dem furchtlosesten Detektiv der Welt brachten. Seine eigene Schöpfung.
Zum Teufel mit Pete Kelly. Während er zu seinem geparkten Wagen ging, schwand sein Zorn etwas. Es war nicht ihre Schuld, die Männer in der Kneipe konnten nichts dafür. An allem war einzig und allein Pete Kelly schuld. Er war der Grund all seiner Sorgen, seiner schlaflosen Nächte und des vielen Whiskys, den er jetzt ständig trank. Er mußte dem allem ein Ende machen. Eines Tages würde er mit Pete Kelly abrechnen.
Aber wann? Das hatte er sich schon seit Wochen und Monaten immer wieder gefragt. Trotzdem erschien Pete Kelly jeden Tag von neuem in der Daily Sun ; seine Abenteuer wurden mutiger und mutiger, sein Benehmen wurde immer arroganter und aufgeblasener. Aber er würde dem ein Ende machen. Eines Tages würde es aus sein mit Pete Kelly.
Es war schon völlig dunkel, und vom Fluß her stieg dichter Nebel auf, als er die gewundene Treppe zu seinem kleinen Schlafraum in Pimlico hinaufstieg. Bis vor drei Jahren noch hatte er gewußt, was es bedeutete, am Abend in die Wärme und Bequemlichkeit einer Familie zurückzukehren. Pete Kelly hatte das zerstört.
»Wähle zwischen mir und Pete Kelly«, hatte seine Frau immer wieder gesagt, und eines Abends war er nach Hause gekommen, ohne sie und die Kinder vorzufinden.
Er blickte sich in dem kahlen und unaufgeräumten Raum um. Auf den Regalen und Schränken standen Dutzende von Flaschen, fast leer, und sein Bett war seit einer Woche nicht mehr gemacht worden. Er zog die Tür hinter sich zu und drehte den Schlüssel um, damit Pete Kelly nicht hereinkonnte. Dann füllte er ein schmutziges Glas voll Whisky, kippte ihn hinunter, und nachdem er den Mantel abgelegt und sich in einen Sessel geworfen hatte, trank er weiter.
Er dachte an die ersten Tage seiner Verbindung mit Pete Kelly und an den Spaß, den sie gemeinsam gehabt hatten. Er erinnerte sich an einige ihrer ersten Abenteuer. Wie er die Aufdeckung der Riverdale Boys geplant hatte; wie er Pete aus den Klauen von Ludenstein gerettet hatte. Ja, er hatte Pete stets geleitet und geführt. Das waren die richtigen Worte. Damals hatte er den Ton angegeben, und Pete war ihm gefolgt, klug, aber gehorsam.
Jetzt war das ganz anders geworden. Wie sehr sich die Dinge doch geändert hatten! Jetzt war es Pete, der die Führerrolle spielte, und er selbst mußte ihm folgen. Aber eines Tages würde er dem allen ein Ende bereiten. Er würde Pete Kelly töten und die ganze Sache fein säuberlich beenden.
Mit müden Schritten ging er zum Zeichenbrett, drehte die Lampe an und nahm einen Bleistift in die Hand. Er dachte ein paar Minuten nach, dann fuhr seine Hand über das Papier. Ein schlanker, zweisitziger Wagen raste eine schmale Landstraße entlang. Der
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