Magazine of Fantasy and Science Fiction 08 - Irrtum der Maschinen
braunem Haar und langen Wimpern lehnte es strikt ab, ihre Vergangenheit oder auch ihre Zukunft lesen zu lassen. Und jedes Bemühen Lady Windermeres, Monsieur de Koloff, den russischen Botschafter, dazu zu bringen, auch nur seinen Handschuh auszuziehen, war vergebens. In der Tat schienen viele der Anwesenden sich davor zu fürchten, dem seltsamen kleinen Mann mit dem stereotypen Lächeln, seiner goldenen Brille und den hellen, durchdringenden Augen gegenüberzutreten; und als er der armen Lady Fermor vor allen Anwesen den eröffnete, daß sie sich nicht das geringste aus Musik machte, aber eine außerordentliche Vorliebe für Musiker besaß, breitete sich die allgemeine Überzeugung aus, daß die Chiromantie eine höchst gefährliche Wissenschaft wäre eine, der man nicht huldigen sollte, außer bei einem intimen Zusammentreffen unter vier Augen.
Lord Arthur Savile jedoch, der nichts von Lady Fermors unseliger Geschichte wußte, der aber Mr. Podgers mit großem Interesse von weitem beobachtet hatte, war von einer großen Neugierde erfüllt, seine eigene Hand gelesen zu bekommen. Er fühlte sich etwas gehemmt, einfach vorzutreten und sich anzubieten; deshalb durchquerte er den Raum und trat zu Lady Windermere. Er errötete, als er sich vor ihr verneigte und sie bat, Mr. Podgers seinen Wunsch vorzutragen.
»Aber das wird ihm ganz sicher nichts ausmachen«, rief Lady Windermere. »Dafür ist er ja schließlich da. Ich bin es gewohnt, daß hier alle tun, was ich will. Aber ich muß Sie schon jetzt warnen – ich werde Sybil alles genau schildern. Sie geht morgen mittag mit mir essen, um sich mit mir über Hüte zu unterhalten, und wenn Mr. Podgers herausfinden sollte, daß Sie launisch sind oder Veranlagung zur Gicht haben oder gar eine Frau in Bayswater, dann werde ich ihr das alles genauestens wiedererzählen.«
Lord Arthur lächelte und schüttelte den Kopf. »Ich habe keine Angst«, entgegnete er. »Sybil kennt mich genauso wie ich sie.«
»So! Das höre ich aber gar nicht gern. Für eine Heirat ist ein gegenseitiges Mißverstehen die richtige Grundlage. Nein, ich bin nicht im geringsten zynisch, ich habe nur Erfahrung darin, was jedoch auf das gleiche herauskommt. Mr. Podgers, Lord Arthur Savile brennt darauf, seine Hand lesen zu lassen. Aber erzählen Sie ihm nicht, daß er mit dem schönsten Mädchen von ganz London verlobt ist, denn das stand schon vor einem Monat in der Morning Post .«
»Meine liebe Lady Windermere«, rief die Marquise von Jedburgh, »überlassen Sie uns doch bitte Mr. Podgers noch ein wenig. Er hat mir gerade geraten, zum Theater zu gehen, und das interessiert mich natürlich brennend.«
»Wenn er Ihnen das geraten hat, Lady Jedburgh, dann werde ich ihn Ihnen aber schleunigst wegnehmen. Kommen Sie sofort hierher, Mr. Podgers, und lesen Sie Lord Arthurs Hand!«
»Na schön«, sagte Lady Jedburgh mit schmollenden Lippen und erhob sich vom Sofa. »Wenn ich nicht zum Theater gehen darf, dann möchte ich wenigstens an dieser Vorstellung teilnehmen.«
»Aber natürlich, wir werden alle daran teilnehmen«, rief Lady Windermere. »Und jetzt, Mr. Podgers, seien Sie nett und erzählen Sie uns etwas Schönes. Lord Arthur ist einer meiner besonderen Lieblinge.«
Als Mr. Podgers aber Lord Arthurs Hand erblickte, wurde er leichenblaß und brachte kein Wort über die Lippen. Er zitterte; seine buschigen Augenbrauen zuckten heftig, als befände er sich im Zustand höchster Erregung. Dann bildeten sich auf seiner gelben Stirn zwei dicke Schweißtropfen, und seine fetten Finger wurden kalt und starr.
Lord Arthur entging dieses seltsame Benehmen nicht, und zum erstenmal in seinem Leben fühlte er richtige Angst in sich aufsteigen. Am liebsten wäre er sofort aus dem Raum gelaufen, aber er beherrschte sich. Es war besser, das Schlimmste zu erfahren, ganz gleich, was es auch war, als in Ungewißheit zu verharren.
»Ich warte, Mr. Podgers«, sagte er.
»Wir warten alle«, rief Lady Windermere in ihrer ungeduldigen Art, aber der Chiromant schwieg.
»Ich glaube, Arthur wird zum Theater gehen«, warf Lady Jedburgh ein. »Vielleicht getraut sich Mr. Podgers nicht, es ihm zu eröffnen, nachdem Sie vorhin bei mir so abweisend reagierten.«
Plötzlich ließ Mr. Podgers Lord Arthurs Hand fallen und ergriff dessen Linke. Er beugte sich tief darüber, um sie genau zu betrachten, so daß die goldenen Ränder seiner Brille bei nahe den Handballen des jungen Mannes zu berühren schienen. Einen Augenblick lang wurde
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