Magazine of Fantasy and Science Fiction 10 - Wanderer durch Zeit und Raum
anderen. Die Neugier des Wissenschaftlers hatte mich nicht dazu getrieben, mich weiter umzusehen. Was hatte ich in diesen zweieinhalb Jahren überhaupt angestellt?
Morgens, wenn die Sonne aufging, erhob ich mich zusammen mit Grectchra, faltete die Decken und ging dann hinaus ins Freie, um den Himmel zu betrachten. Es würde, wie immer, heute nicht regnen. Wir warfen einen Blick auf die Zelte der Nachbarn und stellten vielleicht fest, daß einer der Pfähle gerichtet werden müsse. Dann spazierten wir langsam zur Waschstelle, etwa tausend Meter entfernt. Manchmal nahmen wir die Bettdecken mit und erhielten frische dafür. Wir bekamen in der Küche unser Frühstück, brachten es ins Zelt und aßen schweigend. Dann der Rundgang durchs Dorf, das Mittagessen und der nachmittägliche Gang zum Tempel, zu den roten Dünen und den Wäldern. Oft setzten wir uns auf Felsen und versenkten uns in den Anblick der eintönigen Landschaft, die sich bis zum Horizont erstreckte. Irgendwo dahinter war das Meer, aber ich hatte es noch nicht gesehen. Ich hörte es nur, wenn der Wind aus seiner Richtung kam.
Abends besuchte man sich gegenseitig in den Zelten. Man setzte sich zusammen und plauderte. Gesprächsstoff gab es genug – das stets gleichbleibende Wetter, die Arbeit der Töpfer, das Wachstum des Getreides und die Erzählungen der Jäger. Später wurde gegessen und dann geschlafen. Da ich den ganzen Tag in der frischen Luft gewesen war, schlief ich stets tief und fest bis zum Morgen.
Zweieinhalb Jahre hatte ich also praktisch nichts getan. Aber ich war glücklich und zufrieden gewesen. Sehr glücklich sogar. Auf der Erde hätte mich ein solches Dasein nach einer Woche verrückt werden lassen, hier war es Selbstverständlichkeit. Ich hatte nicht einmal das Gefühl, etwas versäumt zu haben.
Und nun war Halbzeit. Ich beschloß, die mir verbliebene Zeit besser zu nutzen und größere Ausflüge zu unternehmen, um den ganzen Planeten kennenzulernen. Aber mein Vorsatz kam zu spät, denn am nächsten Morgen geschah etwas Ungewöhnliches.
Als ich erwachte, glaubte ich, das Meer sei zu uns gekommen, denn das Rauschen war stärker und näher als sonst. Ich setzte mich aufrecht und sah Grectchra an, die mir erfreut zunickte.
»Es regnet«, sagte sie.
Der Regen änderte den Tagesablauf keineswegs. Wie gewöhnlich gingen wir zum Waschen und Frühstück. Die schweren Tropfen waren warm, aber die Welt sah grau und trostlos aus. Grectchra lachte; sie schüttelte sich, daß es nur so spritzte.
»Wie merkwürdig sieht die Welt aus, wenn man sie durch Wassertropfen hindurch betrachtet.«
Gegen Mittag hörte der Regen auf. Die Sonne kam hervor und trocknete die Zelte. Meile Absicht, eine Expedition zu unternehmen, war längst wieder vergessen.
Am anderen Tag war die Wüste verändert. Soweit das Auge reichte, wuchsen blaugrüne Pflanzen mit winzigen roten, gelben und weißen Blüten. Ich scheute davor zurück, meinen Fuß auf diesen wunderbaren Teppich zu setzen, den ich hier noch nicht gesehen hatte. Es gab zwar Wasser im Dorf, aber es hatte in den zweieinhalb Jahren meines Aufenthaltes noch nie geregnet.
Grectchra verbarg ihre Freude nicht. Sie sprang umher und lachte, als wäre der Regen ein großes Fest gewesen. Wir wanderten dem Tempelberg entgegen, gingen an ihm vorbei und nahmen eine Strecke, die mir unbekannt war. Wir kletterten über Felsen und fanden immer wieder neue Blumen. Es war wie im Frühling.
Vielleicht war es Frühling ...?
Der Wind war kühl und frisch. Er bewegte das Gras und die Blumen wie die Wogen eines Meeres. Mir war, als flösse nicht nur Blut, sondern purer Sonnenschein durch die Adern. Meine Haut prickelte.
»Sieh doch nur!« rief Grectchra plötzlich und rannte vor mir her, auf den Gipfel eines kleinen Hügels hinauf. Ihre Stimme klang hell wie eine Glocke. Ich folgte ihr und fand sie über eine Blume gebeugt.
Sie war tiefblau mit schwarzen Kreisen.
Grectchra sagte:
»Sie ist so blau wie deine Augen.«
Sie hielt die Blume in ihrer Hand. Die Sonnenstrahlen glitzerten auf ihrer silbernen Haut, und plötzlich wußte ich, daß ich noch nie in meinem Leben etwas Schöneres als Grectchra gesehen hatte.
Von diesem Tag an wandelte sich mein Leben noch mehr. Die Tage und Nächte waren wie ein wunderbarer Traum, aus dem es kein Erwachen mehr gab. Ich wußte nicht, wann Grectchra schöner war; wenn sie neben mir im Bett lag, angestrahlt vom Licht der beiden Monde, oder wenn sie im grünen Sand unter der Sonne
Weitere Kostenlose Bücher