Magazine of Fantasy and Science Fiction 13 - Expedition nach Chronos
verstehen, und gerade weil wir allein und voneinander abhängig sind, würde es die Hölle sein.« Er fühlte sich auf einmal sehr müde und abgespannt. Jede Erklärung war sinnlos, wenn sie nicht verstand, was er sagen wollte. »Wer wir sind und wo wir sind, Anna, ist egal. Außer uns gibt es niemand mehr. Warum sollten ausgerechnet wir die Opfer sein?«
»Leslie ...!«
Ihre Stimme war schrill und verzweifelt.
Er drehte sich um und begann zu laufen.
Es war dunkel, aber als der Mond hinter den Wolken hervorkam, konnte er besser sehen. Hinter sich hörte er ab und zu Schritte, die ihm folgten. Mal waren sie lauter, dann wieder so leise, daß er sie nur dann hören konnte, wenn er stehenblieb und lauschte.
Es tut weh, aber jede Wahrheit ist schmerzhaft, dachte er und lief weiter. Es tat auch weh, an ihren warmen Körper zu denken und an ihr offen gezeigtes Begehren. Aber der Test war unbestechlich. Man konnte sich auf ihn verlassen, denn er förderte Dinge zutage, die man mit bloßem Auge nicht sah. Er war unwiderlegbar.
Einmal, als der Wind ihn einholte, glaubte er, den Duft ihrer Haare zu riechen. Er roch sogar ihren Körper, aber der Geruch war mit dem Gestank fauler Blätter und feuchter Erde vermischt. Es war so, als sei die letzte Frau der Erde aus einem Grab gestiegen, um ihn zu jagen.
Endlich war er so erschöpft, daß er nicht mehr weiterlaufen konnte. Er verkroch sich in einen Abwässerkanal und blieb still sitzen.
Nichts war zu hören. Sie mußte seine Spur verloren haben.
Er atmete leichter und befeuchtete sich die Lippen.
Er fühlte sich wohler, als er endlich aufstand und in die Mondnacht hinaustrat.
Nun brauchte er keine Angst mehr zu haben.
Schließlich war er nicht der einzige Mensch auf dieser Welt.
Expedition nach Chronos
(The Homing Instinct Of Joe Vargo)
Stephen Barr
Nicht weit von der Insel Manhattan entfernt liegt eine kleine künstliche Insel im Meer. Sie war während des dritten Weltkrieges entstanden und diente irgendeinem militärischen Zweck. Seit vielen Jahren ist sie verlassen, niemand betritt sie. Vielleicht beachten sie die Piloten der hoch dahinziehenden Verkehrsmaschinen, aber sie schenken ihr sicherlich keine große Aufmerksamkeit. Von einem Schiff aus gesehen, ist sie nicht mehr als ein winziger Punkt am Horizont. Größere Fischerboote wagen sich nicht in ihre Nähe, denn die Insel wird von einem acht Kilometer breiten und nur dicht unter der Wasseroberfläche liegenden Riff aus Beton umgeben.
Auf der Insel steht ein verrosteter Turm. Von seiner Plattform aus hat ein Mann in klarer Nacht die Möglichkeit, die Lichter New Yorks am fernen Himmel zu sehen.
Und jetzt stand ein Mann auf dem Turm.
Aber er blickte nicht in Richtung der unsichtbaren Küste, sondern sah hinauf in den sternenbedeckten Himmel. Er sah zu einem ganz bestimmten Stern hinauf, von dem die Astronomen behaupteten, er sei nicht sehr weit entfernt. Kein Mensch interessierte sich besonders für diesen Stern, aber der Mann auf der Insel kannte ihn. Er kannte ihn genausogut wie eine kleine, weiße Sonne, die von dem Planeten Chronos umlaufen wird.
Noch bevor die zweite Expedition nach Chronos beendet war, stand bereits fest, daß es auch die letzte Expedition sein würde. Wenigstens für jetzt, bis später einmal die Vorbereitungen getroffen wurden, den Planeten in Stücke zu sprengen und die Trümmer zu bergen. Mit der vorhandenen Technik würde man ersteres zwar leicht schaffen, aber die zweite Aufgabe war vorerst noch unlösbar.
Das Innere von Chronos enthielt Mineralien, die äußerst wertvoll waren, aber auf seiner Oberfläche existierte eine fremde Lebensform, die jeden längeren Aufenthalt unmöglich machte. Man hatte es versucht, aber Joe Vargos Voraussage traf wieder einmal ein.
»Es läßt einen aus dem Schiff, vielleicht auch zwei Mann. Aber dann ist es mit seiner Geduld vorbei.«
Übrigens hätte die Mannschaft des Expeditionsschiffes gern eine andere Entscheidung getroffen, die Joe Vargo anging. Sie hätte ihn am liebsten auf dem ungastlichen Planeten zurückgelassen. Dabei hatte Joe Vargo nur den einen Fehler, stets recht zu behalten. Er war auch bei der ersten Expedition dabeigewesen und hatte vor der Landung zu dem Leiter gesagt:
»Wir bleiben hier bestimmt keine Woche.«
Er hatte keine Erklärung abgegeben, nur eben behauptet, daß sie keine Woche bleiben würden. Die Expedition blieb nicht einmal diese eine Woche.
Die fremde Lebensform, die den Planeten so
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