Magazine of Fantasy and Science Fiction 17 - Grenzgänger zwischen den Welten
können. Aber er erinnerte sich auch an die Tatsache, daß er es hier in Kalifornien meistens nicht mit Star und Starlets, sondern mit Verrückten, Einzelgängern, Spinnern und Weltverbesserern zu tun hatte. Selbst wenn man ausgefallene Todesarten und die Vorliebe für Hochspannungsleitungen mit ausgeprägtem Antikommunismus und einer Abneigung gegen Maschinenlärm aller Art kombinierte, ragte Mr. Leveretts Persönlichkeit keineswegs über die seiner Zeitgenossen in Südkalifornien hinaus.
»Jetzt haben Sie Angst, daß ich vielleicht Selbstmord begehen will, nicht wahr?« stellte Mr. Leverett grinsend fest. »Das brauchen Sie aber wirklich nicht. Ich denke eben über alles Mögliche nach und sage fast immer, was ich denke, selbst wenn es noch so verrückt klingt.«
Mr. Scotts Befürchtungen waren bereits wieder verflogen. Er war wieder ganz der joviale Geschäftsmann, als er Mr. Leverett aufforderte, mit ihm in sein Büro zu fahren, um dort den Mietvertrag zu unterzeichnen.
Drei Tage später kam er noch einmal vorbei, um zu sehen, wie der neue Mieter mit dem Haus zurechtkam, und fand ihn auf der Terrasse in einem alten Schaukelstuhl sitzen, wo er sich das Summen der Hochspannungsleitung anhörte.
»Setzen Sie sich, Mister Scott«, forderte Mr. Leverett den Immobilienmakler auf und wies auf einen der modernen Stahlrohrstühle. »Ich freue mich, daß das Haus genau den Vorstellungen entspricht, die ich mir davon gemacht habe. Es ist wirklich ruhig und friedlich. Ich höre der Elektrizität zu und denke über alles Mögliche nach. Manchmal höre ich sogar Stimmen in der Elektrizität. Sie wissen doch sicher, daß manche Menschen Stimmen im Wind hören?«
»Ja, natürlich«, antwortete Mr. Scott etwas unbehaglich. Dann dachte er jedoch daran, daß Mr. Leveretts Scheck für die erste Vierteljahresmiete bereits eingelöst war, und fühlte sich nicht mehr verpflichtet, seine eigenen Gedanken für sich zu behalten. »Aber das Geräusch, das der Wind erzeugt, verändert sich doch wenigstens ständig. Wie kann man aus diesem monotonen Summen Stimmen heraushören?«
»Pah«, antwortete Mr. Leverett mit einem leichten Lächeln, das nicht erkennen ließ, wie ernst er die ganze Sache meinte. »Bienen sind hochintelligente Insekten, die nach Auffassung der Entomologen sogar eine eigene Sprache haben, aber für uns summen sie trotzdem nur. Ich höre in der Elektrizität ganz deutlich Stimmen.«
Er schaukelte einige Minuten lang schweigend. Mr. Scott wußte nicht, was er noch sagen sollte, und hielt ebenfalls den Mund.
»Ja, ich höre Stimmen in der Elektrizität«, sagte Mr. Leverett träumerisch. »Die Elektrizität erzählt mir, wie sie achtundvierzig der fünfzig Staaten durchstreift – und eigentlich sogar auch den neunundvierzigsten über die kanadischen Leitungen. Eigentlich ist sie eine Art Pionier: die Leitungen sind ihre Wagenspuren, die Wasserkraftwerke ihre Wasserlöcher. Die Elektrizität kommt heutzutage überall hin – in unsere Häuser, in jeden Raum innerhalb der Wohnungen, in Büros, in Ministerien und Kasernen. Und was sie auf diese Weise nicht erfährt, hört sie aus Telefongesprächen und dem Funkverkehr. Der Telefonstrom ist der kleine Bruder des Kraftstroms, könnte man fast sagen, und kleine Mäuse haben große Ohren.
Ja, die Elektrizität weiß alles über uns, sogar unsere bestgehüteten Geheimnisse. Aber sie denkt natürlich nicht daran, allen Menschen zu erzählen, was sie weiß, weil die meisten glauben, daß die Elektrizität nur eine kalte mechanische Kraft ist. Aber das stimmt nicht – sie ist so warm und pulsierend und empfindlich und freundlich wie jedes andere Lebewesen, obwohl sie an der Oberfläche vielleicht anders auf uns wirkt.«
Mr. Scott nickte zustimmend und überlegte sich dabei, wie gut sich Mr. Leveretts Erklärungen zu Werbezwecken verwenden ließen – phantasiereich, poetisch, aber trotzdem allgemeinverständlich.
» Und die Elektrizität ist ein kleines bißchen bösartig veranlagt«, fuhr Mr. Leverett fort. »Man muß sie erst zähmen. Man muß sie kennen, muß offen mit ihr reden und darf keine Angst vor ihr zeigen – dann kann man mit ihr Freundschaft schließen. Schön, Mister Scott«, sagte er dann etwas lebhafter und stand auf, »ich weiß, daß Sie nur gekommen sind, um sich davon zu überzeugen, daß ich das Haus nicht verwahrlosen lasse. Deshalb spiele ich heute den Fremdenführer.«
Obwohl Mr. Scott standhaft behauptete, er sei nicht zu diesem Zweck
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