Magazine of Fantasy and Science Fiction 17 - Grenzgänger zwischen den Welten
als nur der Besitzer darin flog? Das Flugzeug wurde gefunden, aber der Pilot blieb verschwunden. Oder von dem Diplomaten, der um die Pferde seiner Kutsche herumging – und verschwand? Charles Fort erwähnt in seinem Buch Dutzende von ähnlichen Fällen – aber ich bezweifle, daß Sie jemals etwas von Charles Fort gehört haben. Denken Sie nur an Dorothy Arnold, James Crater und Richter Lansing.
Und wie steht es mit den Menschen, die plötzlich auf einer Bank im Park sitzen oder auf einer belebten Straße stehen – Jahre und Tausende von Kilometern von dem Leben entfernt, das sie vorher geführt haben? In den meisten Fällen behaupten sie, sich an nichts mehr erinnern zu können. Aber wo haben sie in der Zwischenzeit gesteckt?
Oder denken Sie nur an die alten Märchen, die in jedem Land erzählt werden: die Geister, die Kinder stehlen, oder der Schäfer, der eine Höhle in einem Berg findet und sie ahnungslos betritt. Oder Rip van Winkel. Oder der Rattenfänger von Hameln. Märchen sind nur Versuche, Tatsachen ohne zuverlässige Informationen über den genauen Hergang zu erklären.
Sie müssen aber auch die andere Seite berücksichtigen – wie steht es mit Menschen wie Kaspar Hauser, die plötzlich auftauchen?
Was ist also geschehen? Meiner Überzeugung nach handelt es sich dabei um Grenzgänger zwischen den Welten. Sie haben sich in das Unbekannte vorgewagt und konnten nicht wieder zurück.«
»Sie glauben also, daß diese Menschen in eine andere Dimension versetzt worden sind?«
»Ja, aber nicht auf die Art und Weise, die Sie sich jetzt vielleicht vorstellen. Sie sind nicht einfach aus verschlossenen Räumen oder während einer Unterhaltung mit Freunden verschwunden. Aber ich weiß ganz sicher, daß sie die Grenze überschritten haben. Ich habe keine Ahnung, was aus Crater geworden ist, aber ich habe Miß Arnold getroffen ... hier. Sie ist unterdessen ziemlich gealtert. Und ich habe schon eine Menge andere gesehen – wie Sie auch. Ich habe den eigenartigen Ausdruck in Ihren Augen sofort erkannt, als Sie hereingekommen sind.
Ich kenne mich schließlich mit dieser Sache aus, weil ich selbst ein Grenzgänger bin. Tim übrigens ebenfalls.«
Der Barkeeper nickte ernst.
Davenant lächelte unsicher.
»Die Story ist wirklich nicht schlecht«, meinte er dann.
Der Kahlköpfige runzelte die Stirn.
»Meinen Sie?« fragte er. »Haben Sie vorher nicht einen ... einen elektrischen Schlag gespürt? In Ihrem Kopf? Uns passiert es meistens.«
Davenant zuckte zusammen und nickte. Das war genau die richtige Beschreibung dafür – dieses eigenartige Gefühl, bevor er Tims Kneipe bemerkt hatte: wie ein Miniaturerdbeben im Kopf; und dann schien alles wieder perspektivisch im Lot zu sein – als sei es vorher irgendwie verzerrt und undeutlich gewesen.
»Das habe ich mir gleich gedacht«, sagte der andere.
Davenant gewann mühsam seine Selbstbeherrschung wieder.
»Warten Sie, Mister«, rief er plötzlich aus. »Jetzt habe ich Sie! Wieso sprechen Sie ausgerechnet Englisch, wenn wir uns hier in einer anderen Welt befinden?«
»Warum nicht? Sie tun es doch auch. Schließlich befinden wir uns hier in New York, nicht wahr?«
»Sie wollen also behaupten, daß jede Stadt der Erde eine – was haben Sie gesagt? – eine Parallele hat?«
»Selbstverständlich.«
»Ihr ... Ihr New York hat also ein Empire State Building, ein Rockefeller Center und eine Freiheitsstatue wie meines?«
»Das habe ich nicht gesagt. Es besitzt Gegenstücke dazu, aber sie brauchen nicht an der gleichen Stelle erbaut zu sein oder den gleichen Namen tragen, weil die Geschichte anders verlaufen ist. In Ihrer früheren Welt stand hier zum Beispiel ein Blumengeschäft, wo sich jetzt Tims Bar befindet.«
Davenant lachte.
»Schon gut, mein Freund«, sagte er, »davon möchte ich mich selbst überzeugen. Ich bin nur geschäftlich hier – sonst lebe ich in Boston. In einer Stunde fliege ich nach Hause. Und ich gehe jede Wette ein, daß sich dort in der Zwischenzeit nichts verändert hat.«
»Sie können Ihr Flugzeug besteigen – obwohl der Flughafen vielleicht nicht dort liegt, wo er Ihrer Erinnerung nach liegen müßte. Und Sie erreichen Boston pünktlich nach Flugplan. Der Hafen liegt noch da und Beacon Hill und der Charles River – alles natürliche Formationen. Aber vielleicht tragen sie jetzt völlig andere Namen – und die Gebäude sehen anders aus. Und in der ganzen Stadt lebt nicht ein einziger Mensch, den Sie von früher her kennen –
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