Magazine of Fantasy and Science Fiction 17 - Grenzgänger zwischen den Welten
Marsmenschen – sogar mit Fotografien!« hatte der Mann neben ihm gesagt. »Pah!«
Davenant war rechtzeitig vor zwölf Uhr aus seinem Hotelzimmer ausgezogen, um nicht für einen weiteren Tag bezahlen zu müssen, und mußte jetzt irgendwie zwei Stunden totschlagen, bis sein Flugzeug nach Boston startete. Er hatte seinen Auftrag in New York erledigt und wußte nicht mehr, wen er noch hätte aufsuchen oder anrufen sollen. Als er langsam durch die Straßen ging, die zum Flugplatz führten, stand er plötzlich vor dieser kleinen Bar, die ihm früher noch nie aufgefallen war.
›Tims Kneipe‹ stand in Leuchtbuchstaben über dem Eingang; die ganze Aufmachung wirkte einladend altmodisch. Hier konnte man es bestimmt ein oder zwei Stunden lang aushalten, überlegte er, falls das Lokal wirklich ruhig war.
Es war tatsächlich sehr ruhig. Am frühen Nachmittag war außer dem Barkeeper nur ein einziger Gast anwesend – ein kahlköpfiger, älterer Mann in einem Tweedanzug. Davenant bestellte sich ein Bier und hatte eben erst einen Schluck genommen, als er das ›Pah!‹ hörte. Er wußte allerdings nicht recht, ob der Mann mit ihm oder mit dem Barkeeper sprach.
Der Mann hatte Davenant angesprochen. Er wies mit der linken Hand auf die Schlagzeile einer Zeitung – Davenant konnte ihren Namen nicht erkennen – und gestikulierte mit der Rechten, in der er ein halbvolles Glas hielt.
»Die Wissenschaft hat bewiesen«, fuhr er fort, als er sah, daß Davenant ihm aufmerksam zuhörte, »daß keiner der Planeten innerhalb unseres Sonnensystems bewohnbar ist – jedenfalls nicht für Lebewesen von unserer Art. Auf dem Mars können bestenfalls intelligente Pilze leben. Auf der Venus intelligente Fische – sehr komische Fische. Und auf Jupiter nur intelligente Salamander.«
»Sie glauben also nicht, daß Lebewesen von anderen Planeten die Erde beobachten?« fragte Davenant.
»Das habe ich nicht behauptet. In unserem Universum gibt es unzählige Sonnen und vermutlich ebenso viele Planeten. Einige dieser Planeten werden vielleicht von intelligenten Lebewesen bewohnt. Aber jedes zivilisierte Wesen, das die unendlichen Weiten des Alls durchqueren kann, unterscheidet sich vermutlich so sehr von uns, daß wir es nicht einmal als intelligentes Lebewesen erkennen würden. Sie wären uns nicht im geringsten ähnlich und könnten sich bestimmt nicht mit uns verständigen.
Nein«, fuhr er nachdenklich fort, »die Wahrheit ist viel seltsamer – und viel vertrauter. Zum Beispiel wie diese Welt, in der wir uns im Augenblick befinden.«
»Sie meinen unsere Welt.«
»Ich meine diese Welt. Diese Parallelexistenz zu der Ihren diese Welt, in die wir beide übergetreten sind.«
Davenant starrte ihn an. Der Mann wirkte nüchtern und völlig normal.
»Das verstehe ich nicht«, antwortete er.
»Hören Sie«, gab der Kahlköpfige zurück, »ich irre mich nie. Bisher habe ich noch keinen Weltenwanderer übersehen. Aber vielleicht ist Ihnen das zum erstenmal passiert, und Sie verstehen noch nicht, was sich ereignet hat.
Sie scheinen ein gebildeter Mann zu sein. Kennen Sie sich mit höherer Mathematik aus?«
»Das muß ich wohl oder übel. Ich bin von Beruf Wirtschaftsprüfer.«
»Ich meine aber nicht so einfaches Zeug, sondern wirkliche Mathematik. Das Raum-Zeit-Kontinuum und so weiter.«
»Klar, davon habe ich auch schon gehört.«
»Schön, aber haben Sie schon gehört, daß es vieldimensionale Welten gibt – die Parallelexistenzen? Ich weiß nicht, wie viele es gibt – das weiß kein Mensch; vermutlich unendlich viele. Aber ich weiß, daß es in jeder einige Menschen gibt, die auf Grund ihrer besonderen psychologischen Veranlagung dazu imstande sind, die Grenze zwischen ihnen zu überschreiten. Und ich möchte wetten, daß Sie zu diesen Menschen gehören – genau wie ich.«
»Das verstehe ich ganz und gar nicht«, antwortete Davenant.
»Doch, Sie müssen es nur versuchen. Hören Sie zu.« Der Mann in dem Tweedanzug leerte sein Glas mit einem Zug. »Tim!« rief er dem Barkeeper zu. »Noch einen Highball. Und der Gentleman hier hat bestimmt auch Durst.«
Der bullige Barkeeper füllte die Gläser und blieb stehen, um die Unterhaltung verfolgen zu können. Davenant nickte dankend. Der Kahlköpfige sprach weiter.
»Haben Sie noch nie von dem Farmer gehört, der in den Stall ging, um seine Kühe zu melken? Der Mann blieb verschwunden, und die Kühe standen brüllend vor den leeren Futterkrippen. Oder von dem Privatflugzeug, das abstürzte,
Weitere Kostenlose Bücher