Magazine of Fantasy and Science Fiction 17 - Grenzgänger zwischen den Welten
falls Sie nicht gerade einen anderen Grenzgänger treffen.«
»Aber selbst wenn er einen trifft«, warf der Barkeeper ein, »brauchen sie nicht ursprünglich aus der gleichen Welt zu stammen, Mister Gorham. Wir kommen auch nicht aus der gleichen.«
»Richtig, daran habe ich eben nicht gedacht. Ich glaube allerdings, daß Sie und ich aus der selben Welt stammen, Mister ...«
»Davenant. Charles Davenant.«
»Ich heiße James B. Gorham. Sagen Sie, Mister Davenant, haben Sie jemals etwas von Aristoteles oder Julius Cäsar oder Shakespeare oder Napoleon gehört?«
»Soll das ein Witz sein?«
»Schon gut. Tim – hast du diese Namen schon einmal gehört?«
»Sie wissen doch, daß ich kein gebildeter Mann bin, Mister Gorham.«
»Gut, dann sagen Sie mir nur, wer war Lincoln? Wer war Washington? Schon mal von Hitler gehört? Oder von Stalin oder Churchill?«
»Tut mir leid«, antwortete Tim ernsthaft.
»Sehen Sie? Wir beide haben die gleiche Geschichte – aber Tim nicht. Die Namen, die er aus der Schule kennt, wären für uns völlig nichtssagend. Aber er stammt aus seinem Amerika, wie Sie aus Ihrem kommen.«
»Aber gelegentlich treffe ich jemand, der aus meiner Welt kommt«, warf Tim eifrig ein, »und dann sprechen wir über die Dinge, an die wir uns gemeinsam erinnern. Zum Beispiel daran, daß Randolph während des Bürgerkrieges Richmond eingenommen hat oder daß Thomas Endicott der erste Präsident der Vereinigten Staaten war ... Aber leider habe ich bisher noch niemand getroffen, den ich von früher her kannte.«
»Sehen Sie?« sagte Gorham und nickte zufrieden. »So ist es eben, Mister Davenant. Die Geschichte ändert sich ein wenig von einer Welt zur anderen.
Relativ gesehen gibt es nur wenige Grenzgänger – aber im Grunde genommen sind es doch überraschend viele. In jeder Großstadt verschwinden täglich Menschen. Hätten Sie nicht zufällig Verwandte oder Freunde, die sich ihretwegen Sorgen machen, würde kein Hahn nach ihnen krähen. Sind Sie verheiratet?«
»Nein«, antwortete Davenant einsilbig. Er dachte angestrengt nach.
»Um so besser. Meiner Meinung nach ist das schlimmer als alles andere – die Frau bleibt allein zurück und erfährt nie, was plötzlich aus ihrem Mann geworden ist. Für die Frauen ist das viel schlimmer als für den Grenzgänger selbst, denn er weiß wenigstens, daß er noch lebt und seine Frau nicht absichtlich verlassen hat. In dieser Beziehung habe ich ebenfalls Glück gehabt – obwohl ich viel dafür gegeben hätte, wenn ich meinen Eltern hätte schreiben können, daß ich nicht einfach von zu Hause fortgelaufen bin.
Seltsamerweise gibt es sogar Familien, in denen mehrere Angehörige Grenzgänger sind. Ich habe von zwei Brüdern in Oakland gehört, die beide in vier Jahren Abstand über die Grenze gekommen sind. Sie waren zwei alte Junggesellen, die zusammen eine Farm bewirtschafteten, und sie verschwanden beide auf die gleiche Weise – das Licht brannte, das Radio war eingeschaltet, auf dem Tisch stand das Abendessen. Als der zweite ankam, trafen sie sich zufällig wieder. Wenn sie noch nicht gestorben sind, leben sie noch heute glücklich und zufrieden in Oakland – in diesem Oakland.
Aber ich habe noch nie gehört, daß Ehepaare gemeinsam herübergekommen wären. Gegensätze ziehen sich angeblich an – aber vielleicht heiraten potentielle Grenzgänger niemals untereinander. Es kommt sogar vor, daß Männer oder Frauen, die lange genug hier gewesen sind, nochmals eine Ehe eingehen. Das ist natürlich Bigamie – aber die Betreffenden brauchen keine Angst zu haben, daß sie jemals deswegen belangt würden. Ich bin jetzt auch verheiratet, war es allerdings früher nicht.«
Davenant starrte die beiden Männer an.
»Glauben Sie wirklich an diesen Unsinn?« fragte er langsam.
Gorham seufzte.
»Ich weiß – ich habe auch einige Zeit gebraucht, bis ich alles verstand. Deshalb versuche ich anderen Grenzgängern zu helfen, wenn ich sie irgendwo treffe.
Ist Ihnen nicht aufgefallen, daß nach Ihnen kein Mensch mehr hereingekommen ist? Normalerweise geht es hier selbst um diese Tageszeit nicht so ruhig zu, nicht wahr, Tim? Ich wollte verhindern, daß wir unterbrochen werden, und habe Tim unauffällig einen Wink gegeben. Er hat die Tür abgeschlossen, damit wir uns ungestört unterhalten können. Die Kneipe gehört ihm – er ist hier der Boß.«
»Richtig«, stimmte Tim zu. »Mister Gorham ist immer sehr freundlich zu mir gewesen – durch seine Vermittlung habe
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