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Magazine of Fantasy and Science Fiction 19 - Welt der Illusionen

Magazine of Fantasy and Science Fiction 19 - Welt der Illusionen

Titel: Magazine of Fantasy and Science Fiction 19 - Welt der Illusionen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.A.
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kämpfen, die ihn plötzlich befielen. Wie sollte er den langen Marsch jemals schaffen, wenn er schon jetzt Atembeschwerden und Knieschmerzen hatte ...
    Er fand den Großen Bären, suchte nach dem Polarstern und marschierte dann nach Südosten in Richtung Hammondtown. Das Seniorendorf Goldene Ruhe lag östlich von Camden in der Nähe eines Elendsviertels. Von Hammondtown aus waren es nur noch fünfzehn Kilometer bis Lower Bank und etwa zwanzig bis Bittern Shoals. Insgesamt also knapp über vierhundert Kilometer. Wie viele konnte er pro Tag oder Nacht schaffen? Aber er würde es schaffen – oder zumindest den Versuch machen. Ja, er würde es versuchen.
    Er wollte vor allem nachts marschieren. Auf diese Weise wurde er weniger leicht gesehen, und solange er in Bewegung blieb, konnte ihm die Nachtkälte kaum etwas anhaben. Tagsüber wollte er sich dann in der Sonne ausruhen. Jetzt kam es vor allem darauf an, daß er Camden vor Sonnenaufgang so weit wie möglich hinter sich ließ.
     
    Morley bog schon nach hundert Meter Straße seitlich ins Unterholz ab, wo er sich sicherer fühlte, obwohl er wußte, daß um diese Zeit kein Mensch auf der einsamen Landstraße unterwegs sein würde. Außerdem hätte er die Autoscheinwerfer aus größerer Entfernung gesehen und hätte immer noch ausweichen können. Er wollte rasch vorankommen, ohne sich dabei zu überanstrengen, denn er wußte vorläufig noch nicht, wo seine Grenzen lagen. Sein Körper schmerzte bereits überall, und er atmete schwer, als habe er eine gewaltige Last zu schleppen. Der eisige Nachtwind drang durch seine dünne Kleidung und ließ ihn vor Kälte zittern. Die Knorpel zwischen seinen Gelenken waren von Jahr zu Jahr geschrumpft, so daß er jetzt kleine Schritte machen mußte. Alle Gelenke arbeiteten nicht reibungslos, sondern knackten und knarrten bei jeder Bewegung. Aber alles das machte Morley nur deshalb Sorgen, weil er daraus auf sein Durchhaltevermögen schließen konnte, das vermutlich nicht allzu groß sein würde.
    Er ging verbissen weiter, obwohl sein Körper bei jedem Schritt protestierte. Wenn er eine Pause einlegte, kam er kaum wieder in Bewegung, so daß er schließlich ununterbrochen marschierte. Er überquerte Felder und Weiden, balancierte mühsam von einem Stein zum anderen über einen Bach und ging langsam durch ein Wäldchen. Der Mond wanderte unnatürlich weiß und strahlend über den wolkenlosen Himmel. Morley hörte die ersten Vogelstimmen und wußte, daß der Tagesanbruch bevorstand. Um diese Zeit hatte er ein verlassenes Sägewerk erreicht und sank stöhnend an der Tür des kleinsten Schuppens zu Boden. Einige Wandbretter fehlten, so daß die Sonne das Sägemehl getrocknet hatte. Morley hatte noch nie ein weicheres Bett gehabt. Er schlief sofort ein und träumte von seinem Sommerhaus am Meer, das er gemeinsam mit Lisa gebaut und eingerichtet hatte ...
    Nachmittags wachte er auf, als ihm die Sonne ins Gesicht schien. Ganz in seiner Nähe saß eine Feldmaus und beobachtete ihn unerschrocken. Morley fühlte sich wohl, bis er sich aufsetzte, aber dann hatte er plötzlich Angst. Er ahnte, daß er nie weit genug gehen konnte, um der Umgebung zu entfliehen, die er hassen gelernt hatte. Jeder Muskel schmerzte, alle Gelenke taten unerträglich weh. Als er mühsam auf die Füße kam, wurde ihm schwarz vor den Augen. Und dabei hatte er erst einige Kilometer zurückgelegt! Niemand kann über seinen Schatten springen, alter Junge, dachte er. Aber er zwang sich dazu, vor dem Schuppen einige Schritte weit zu gehen, zwang sich dazu, mit geschlossenen Augen in die Sonne zu sehen, obwohl sein Nacken unerträglich schmerzte. Du kannst bei Sonnenuntergang wieder in der Goldenen Ruhe sein, Morley, alter Junge. Sogar noch früher, denn irgend jemand sieht dich bestimmt, hat Mitleid mit dir und fährt dich zurück. Dort hast du es sicher und warm. Dort brauchst du nicht ...
    Aber er machte noch einen Schritt und einen weiteren. Ein kühler Wind blies den Fluß entlang. Die kahlen Zweige rauschten. Noch ein Schritt, der nicht weniger schmerzte, aber Morley machte einen vierten, stöhnte und ging unendlich langsam weiter. Er aß eine halbe Tafel Schokolade, und sein Körper erholte sich allmählich im warmen Sonnenschein. Als die Abenddämmerung kam, nahm Morley seine Bettrolle auf die Schulter und machte sich wieder auf den Weg. Er mußte sich auf jeden Schritt konzentrieren und ächzte noch immer, wenn er auftrat. Nach einiger Zeit ließen die Schmerzen von

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