Magazine of Fantasy and Science Fiction 20 - Mord in der Raumstation
sprichst du eigentlich? Mit mir oder mit ihm?«
»Mit Bob. Er hat keine angenehme Aufgabe vor sich. Wahrscheinlich muß er dich viel mehr verprügeln, als er eigentlich will, weil du zu stur bist, um rechtzeitig aufzuhören.«
»Kommst du nicht einmal auf die Idee, daß ich ihn verprügeln könnte?«
»Nein«, antwortete sie einfach.
»Komm!« sagte John nur und ging voraus.
Sie fanden einen leeren Gymnastikraum und schlossen die Tür ab. Die beiden jungen Männer zogen sich im Nebenraum um und kamen in kurzen Hosen und Turnschuhen zurück. Lucy, die in ihrem eleganten Cocktailkleid (sie war stets geschmackvoll, aber nie herausfordernd angezogen) noch hübscher als sonst aussah, nahm eine Glocke aus dem Schrank neben der Tür, lehnte sich gegen die Sprossenwand und sagte: »Der Kampf findet in dreiminütigen Runden oder gar nicht statt. Die Zahl der Runden ist unbegrenzt. Ich mische mich nicht ein – meinetwegen bringt ihr euch um –, aber wenn ihr nicht aufhört, sobald die Glocke ertönt, verständige ich die Wache und lasse euch einsperren. Verstanden?«
Bob machte einen letzten Versuch. »John, du bist kein schlechter Kerl, aber manchmal gehen dir eben die Pferde durch. Du verstehst deine Arbeit – allerdings nicht so gut, wie du dir vielleicht einbildest ...«
»Wer könnte das schon?« seufzte Lucy.
»Aber darüber kann man verschiedener Meinung sein. Falls du dir allerdings einbildest, dieses Problem ließe sich dadurch lösen, daß wir uns gegenseitig die Nasen blutig schlagen, bist du für mich verrückt.«
»Schön, dann bin ich eben verrückt. Ring frei zur ersten Runde, Lucy.«
Sie bewegte die Glocke.
Nach dreißig Sekunden hatte Lucy bereits genug. Alles war genauso schlimm, wie sie vermutet hatte. John hatte zwar leichte körperliche Vorteile – er war größer, etwas schwerer und in der Reichweite überlegen –, aber er hatte keine Chance gegen einen Mann, der boxen konnte und sich nicht verwirren ließ. Sie fragte sich sogar, weshalb sie nicht vernünftig genug war, einen Mann wie Bob zu lieben, anstatt sich an John zu hängen.
Die Antwort auf diese Frage war leicht zu finden. Erstens liebte sie John nicht, zweitens würde Shirley ihren Bob unter allen Umständen für sich behalten wollen, nachdem sie ihn so mühsam erobert hatte, und drittens war Bob auch nicht ganz der Typ, den sie sich als Ehemann vorstellen konnte.
Der Boxkampf verlief wie erwartet. John griff sofort heftig an und schien die Auseinandersetzung möglichst mit einem einzigen Zufallstreffer beenden zu wollen. Bob wehrte die Angriffe stetig ab, wich stetig zurück und erzielte stetig einen Treffer nach dem anderen.
Lucy gab ein Glockenzeichen, und die beiden Männer lösten sich voneinander.
Vielleicht war ihre Theorie doch richtig, überlegte sie: John wirkte völlig zufrieden, obwohl er den Kampf offensichtlich verlieren würde. Vielleicht, so hoffte sie jedenfalls, hatte John, dessen Gefühlsentwicklung nicht mit seinem körperlichen Wachstum Schritt gehalten hatte, endlich den Punkt erreicht, an dem er seinen Kokon sprengte und ein vollwertiger Mensch wurde. Vielleicht war dies der Anstoß, den sie ihm seit vier Monaten zu geben versucht hatte – bisher ohne Erfolg.
Eine Minute später klopfte jemand an die verschlossene Tür. Alle drei starrten die Klinke an, die sich langsam bewegte. Innerhalb der Station gab es ein Dutzend Gymnastikräume und Turnhallen; über zwanzig Prozent ihrer Gesamtfläche enthielt Möglichkeiten zur Freizeitgestaltung.
Der Streit hatte während einer Tanzveranstaltung begonnen. Es war spät nachts; die Nacht war zwar nur künstlich, aber trotzdem durchaus real. Kleinkinder, ältere Kinder und viele Erwachsene schliefen bereits. Jeder Mann, der plötzlich das Gefühl hatte, er müsse einen Sandsack mit den Fäusten bearbeiten, und jede Frau, die ein paar Gramm abstrampeln wollte, hatte etwa zehn verschiedene Räume zur Verfügung. Wer rüttelte also wütend an der Türklinke? Shirley? Woher sollte Shirley wissen, daß Bob hier war?
Das Klopfen verstummte. Lucy schwang wieder die Glocke.
Die zweite Runde war nicht besser als die erste. John hatte nichts dazugelernt. Er griff wütend an, ging zu Boden, sprang wieder auf und stürmte blindlings vorwärts. Sein Gesicht war geschwollen, und er blutete aus der Nase, während Bobs Gesicht keine Spuren von Treffern zeigte.
Dann war der Kampf plötzlich zu Ende.
John taumelte rückwärts und fiel gegen die Sprossenwand. Seine
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