Magazine of Fantasy and Science Fiction 21 - Flucht in die Vergangenheit
fühlte.
»Manchmal kommt es mir vor, als sei ich in meiner eigenen Welt aufgewacht – wie du hier in deiner«, sagte er. »Es kommt mir vor, als hätte ich mein Leben lang Schmerzen gehabt, ohne es wirklich zu wissen. Aber nun sind die Schmerzen verschwunden, und ich komme mir wie ein Gigant vor.«
Sie sah lächelnd zu ihm auf. »Ich kenne eine Melodie, die das gleiche bewirkt. Manchmal höre ich sie irgendwo über mir.«
»Meine Welt ist eine einzige große Maschine«, fuhr er fort. »Nun sehe ich die vielen Räder. Früher habe ich mir eingebildet, Buck und Alma hätten eine seltsame Macht über mich. Jetzt weiß ich, daß es im Grunde genommen die Macht der Maschine ist. Sie sind nur Teile davon. Aber ich erzähle ihnen nichts ...«
»Richtig, du darfst sie deswegen nicht verachten«, stimmte Martha zu. »Ihrer Maschine verdankst du die Energie, die dir erst den Übergang in diese Welt ermöglicht. Sie können nichts damit anfangen, obwohl sie es vielleicht durch dich versuchen, aber manchmal wissen sie es fast und sind deshalb traurig. Sei freundlich zu ihnen.«
Lane sah in ihre Augen, deren Blick wieder starr geworden war. Über Marthas Kopf entdeckte er die gleiche Refraktionsstörung wie zuvor.
»Was soll ich tun, Sternenvogel?« fragte er rasch. »Ich habe mich selbst gesehen. Was hat das zu bedeuten?«
»Du hast die Phase unterbrochen. Das mußt du immer wieder tun, bis deine Doppelgänger im Strom der Zeit sich zu einem Ganzen summieren. Dann gehört diese Welt eines Tages auch dir.«
»Was muß ich dafür tun? «
»Du mußt jede Berührung mit deinem Doppelgänger vermeiden. Sie wäre tödlich.«
Lane rüttelte Martha an der Schulter.
»Woher weiß ich, wann es Zeit ist? Wie soll ich ihm entgehen, wenn er mich verfolgt?«
»Der Sternenvogel ist fort«, sagte Martha. »Was hat er dir erzählt, Chris?«
Als er das Gespräch wiederholte, wußte sie keine Erklärung für ihre Worte. »Wir müssen Vertrauen zu ihnen haben, Chris«, stellte sie fest. Er nickte ernst.
Einige Zeit später – Lane konnte nicht beurteilen, wie rasch die Zeit in Marthas Welt verging – hörte er Schritte und spürte einen kalten Schauer, der ihm über den Rücken lief. Martha hatte nichts gehört.
Lane drehte sich um und sah sich selbst mit leeren Augen und ausgestreckten Armen. Er holte erschrocken tief Luft.
»Das ist nur eine Luftspiegelung, ein Sternenvogel«, sagte Martha neben ihm.
Lane sprang auf und rannte zum Felsen hinüber. Martha blieb dicht hinter ihm. »Lebwohl, Martha«, rief er ihr zu und legte den Glain in die Höhle zurück.
Er schien nur lebhaft geträumt zu haben, als er zur gewohnten Zeit in seinem Bett aufwachte. Er rasierte sich, frühstückte mit Mrs. Green, ging zum Schuttabladeplatz und blieb neben dem grauen Felsbrocken stehen. Er nahm den Glain heraus und befand sich wieder in Marthas Welt. Sie rannte auf ihn zu ... und er schien alles nur zu träumen ... und ... und ... er wußte schließlich nicht mehr, wie oft sich dieser Vorgang wiederholt hatte. Aber ihm wurde klar, daß er das alles bereits einmal erlebt hatte, und als er wieder einmal vor der Tür des Badezimmers stand, drehte er sich um und versteckte sich in der Besenkammer.
Diesmal war das Schwindelgefühl leichter als beim ersten Anblick seines Doppelgängers. Er hörte, daß er sich im Bad rasierte und war sich darüber im klaren, daß er die Phase wieder unterbrochen und die Wirbel des Zeitstroms verlassen hatte. Welche Konsequenzen ergaben sich daraus für ihn?
Er rieb sich seine Bartstoppeln und überlegte, daß der Wirbel niemals zum Stillstand kommen würde. In wenigen Minuten würde er, Lane 2, sich zum zweitenmal an diesem Morgen rasieren, während Lane 2 unten mit Mrs. Green frühstückte. Alle Ereignisse im Innern des Strudels wiederholten sich unendlich oft, denn er existierte selbst in unendlich vielen Kopien. Lane 2 ging nach unten. Kurze Zeit später kam Mrs. Green aus ihrem Zimmer und schlurfte die Treppe hinab. Lane 1 verließ die Besenkammer und rasierte sich hastig; er wußte genau, wieviel Zeit er dazu hatte. Der Rasierpinsel war noch naß. Er versteckte sich wieder in der Besenkammer, bis Mrs. Green in ihr Zimmer zurückgekehrt war. Dann verließ er das Haus und rannte davon – aber nicht zum Schuttabladeplatz.
Nach diesem Erlebnis richtete Lane es in Zukunft stets so ein, daß die Phasenunterbrechung im Morgengrauen stattfand, während er den Schuttabladeplatz betrat. Auf diese Weise wurde die
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