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Magdalenas Blau: Das Leben einer blinden Gärtnerin (German Edition)

Magdalenas Blau: Das Leben einer blinden Gärtnerin (German Edition)

Titel: Magdalenas Blau: Das Leben einer blinden Gärtnerin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulla Lachauer
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nicht, sagt nicht: «Pass auf dein Herz auf.» Ohne zu reden, folgt er mir, von einer Staude zur nächsten, nimmt mir zwischendurch die Blumen ab.
    Büsche, von denen manche größer sind als ich, herb duftend, nicht ganz so streng wie Chrysanthemen. «Siehst du noch eine Blüte, Konrad?» Er knurrt von links, anscheinend ist er schon beim zweiten Akt. Ein leichtes metallisches «tick» eröffnet ihn, der Spaten setzt auf. Und Schwung! Konrad gräbt immer noch wie ein Junger, rasch hat er das ganze Trumm aus der Erde gehebelt, zwei Stiche auf den Ansatz, kräftig und zielsicher trennt er die Knolle vom Blattwerk. «Da! Guck sie dir an!» Mit den Händen klopfe ich die Erde ab, nicht zu viel, zum Überwintern braucht die Knolle einen leichten Erdmantel. Abtasten, wo sind faule Wurzelteile, die entfernt werden müssen, nach einem enorm heißen Sommer wie diesem ist auch viel Schrumpliges da.
    Konrad voran, ich hinterher – zwei alte Esel, die ihren Trott gehen. Links türmen sich die Berge von grünem Kraut, rechts auf dem Acker die schon untersuchten Knollen, die am Ende auf die Schubkarre müssen, Akt 3, und ab ins Winterquartier, in Nachbars Erdkeller, Akt 4. Die Hände sind schon kalt, der Körper ist müde, wir müssen weiter, noch lange sind wir nicht fertig. Fünf Schubkarrenladungen sind es in der Regel, wir sind gerade erst auf der Hälfte. «Da! Guck sie dir an, Magdalena!»
    In den Dahlien das Zeitliche zu segnen wäre nicht das Schlechteste.

[zur Inhaltsübersicht]
    Ein Hut voll Welt
    Wer kann am weitesten im Tanzen Wasser spritzen? Eines der schönsten Spiele, die ich in unserem Garten erlebt habe. Fünf oder sechs Kinder, jedes mit einer Gießkanne voll Wasser, sie kreiseln, so schnell sie können, drehen sich um ihre eigene Achse. Ein Juchzen, ein Quieken. Und das Wasser spritzt um sie herum, es blinkt in der Sonne.
    So haben wir Kindergeburtstage gefeiert, den von Lukas – als Januarkind ließen wir ihn in der schönen Jahreszeit, im Mai, nochmal hochleben – und den von Nachbarskindern, Freundeskindern. Auf dem Land, unter Katholiken, wurde das damals noch nicht groß begangen. Namenstag ja, alle Josefe, alle Veronikas, alle Ursulas am selben Tag, man traf sich im Kollektiv, sozusagen, unter der Führerschaft des jeweiligen Heiligen. Der Tag der Geburt, wo der Einzelne im Mittelpunkt steht, hatte noch wenig Bedeutung. Das hab ich in Sonnenmatt propagiert, über die Kinderfeste in Umlauf gebracht.
    Spielen! Wettrennen, barfuß, mit Farbe an den Füßen. Vorher rührte ich große Mengen Wasserfarbe an, jeder von uns tunkte seinen rechten Fuß hinein, oder auch den linken, und wir hüpften auf einem Bein auf dem Plattenweg, vom Haus bis zur Dahlienhecke. Anschließend begutachteten wir ausgiebig die roten, blauen, grünen Spuren. Auf allen vieren. Ich auch, mit der Nase nahe drauf. «Nasenbär!», rief ein Bub. Solche Freiheit und wirkliche Gleichberechtigung habe ich im Erwachsenenalltag kaum je erfahren.
    Mit dreiundvierzig Jahren wäre mein Leben beinahe zu Ende gewesen. Gerade war mein Vater gestorben, März 1976. Meine Mutter war froh, endlich einmal aufatmen zu können, sie brauchte Zeit für sich, weswegen sie mich gebeten hat, ihr «die Engländer» abzunehmen, John und Mary, ein Ehepaar, das regelmäßig alle zwei Jahre in Freiburg aufkreuzte. Johns Vater war vor Urzeiten bei meinem Großvater Daniel Eisele Lehrling gewesen, daher die Freundschaft. Sie reisten immer mit dem Campingbus an, eigentlich ein zum Wohnen umgebauter Lieferwagen, in dem sie unter anderem die aberwitzigsten Geschenke für uns transportierten, wie Keksdosen mit dem Konterfei der Queen, bemalte Teller mit königlichen Schleppjagden und dergleichen. In den ersten Jahren, kurz nach Kriegsende bis etwa Anfang der Sechziger, hatten sie noch zwei, drei Kinder an Bord. Keine eigenen, sondern fremde Kinder aus den Vorstädten von Portsmouth, die etwas von dieser seltsamen Subkultur der Piers und frivolen Tanzlokälchen mitbrachten. Von alldem sollten sie sich im «black forest» erholen.
    Dienstag vor Fronleichnam war es, ein entsetzlich heißer Tag, an dem die Engländer und ich aufbrachen mit dem vollbetankten Campingbus, Richtung Waldkirch, um Lukas, der inzwischen dort zur Schule ging, zu besuchen. Ich trug ein elegantes Kleid aus orangeroter Kunstfaser, darunter eine enge Korsage. Stolz wie Oskar, mich meinem Sohn und seinen Kameraden so präsentieren zu können, stolz, dass er durch mich die Möglichkeit hatte, zu zeigen,

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