Magdalenas Garten
unter der Blässe des wenigen Schlafs noch blasser wurde.
»Welche Freunde?«
»Na, der groÃe, gut aussehende Mann und die blonde Frau mit den Zöpfen! Haben nach dir gefragt.«
GroÃer, gut aussehender Mann, blonde Frau mit Zöpfen? Sie meinte doch nicht etwa Matteo, Matteo und Nina. Gut aussehend, war er gut aussehend?
»Ach, die beiden aus dem POLO .«
»POLO?« Die Kommunikation mit Sara gestaltete sich heute etwas mühsam.
»Neben dem Club 64 liegt das POLO , der Nachtclub, der dieses Jahr nicht aufgemacht wurde. Oben auf dem Berg, wenn man Richtung Portoferraio fährt.«
»Ach ja, kenne ich! Meine Töchter sind im Club 64 immer tanzen gegangen. Es wurde meistens schrecklich spät, manchmal kamen sie erst morgens wieder, ich habe mir jedes Mal Sorgen gemacht â¦Â«
»Ich fahre da jetzt hoch, ins POLO .« Magdalena ging schnell zur Tür.
»Du gehörst ins Bett, Mädchen!«
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Gott sei Dank hatte sie ihre Handtasche wieder und ihr Geld, sie brauchte jetzt ganz schnell einen caffè , zwei cornetti mit Marmelade und am besten auch noch eine Dusche. Seit gestern Abend klebte das Salz unangenehm auf ihrer Haut, denn in Holgers Salon hatte sie sich nur an einem kleinen Spülbecken notdürftig waschen können. Caffè und cornetti würde sie in der Bar La Pinta bekommen, wo man ihr keine Fragen über Magenverstimmungen stellte. Die Dusche musste warten.
Satt und mit besserer Laune klappte sie eine Viertelstunde später vor der Bar ihr Handy auf. Drei Anrufe in Abwesenheit. Matteo. Matteo. Matteo. Er hatte sie gestern in der Bar gesucht, bestimmt machte er sich groÃe Sorgen.
Sie versuchte Opa Rudi zu erreichen. Es war halb neun, die Sommerferien waren längst zu Ende, vielleicht saà er schon vor seinem Käffchen und seinen Leberwurstknäckebroten. Das Telefon klingelte fünfmal, bis sie ihre eigene Ansage hörte: »Guten Tag, wir sind im Moment nicht zu Hause â¦Â« Einen Augenblick lang war sie versucht, sich selbst etwas aufs Band zu sprechen, ihrem anderen Ich, das sie zu Hause wieder sein würde. Die Kartografin mit dem geregelten Tagesablauf, die Person, die zweimal in der Woche zum Schwimmen und jeden Dienstag
zum Italienisch für Fortgeschrittene II ging, obwohl - den Kurs brauchte sie nun wirklich nicht mehr. »Hallo, Rudi«, sagte sie schlieÃlich, »mir geht es nicht so gut, ich habe mich da in eine Sache verrannt, na ja, also mit einem Mann, dem Falschen, aber das ist jetzt vorbei. Meinen Vater habe ich trotz deiner Hilfe auch nicht gefunden. Ich bin in ein paar Tagen wieder da. Vielleicht sogar schon morgen.« Aber vorher muss ich noch einmal in meinen Zitronengarten, dachte sie. Sie konnte nicht einfach abreisen, ohne die Bäume ein letztes Mal gesehen zu haben, die Palmen und Pinien, den Lavendel. Die Erde, in der sie gewühlt hatte, den Staub, den sie an dem Nachmittag eingeatmet hatte, als sie die trockenen Gräser von der Kiesfläche geharkt hatte, die einmal die Bocciabahn werden sollte. Die Oleandersträucher. Die Hängematte. Matteo.
Noch ehe sie weiter über diesen letzten Punkt nachdenken konnte, trug der Roller sie schon nach oben in die Berge, über die Bucht von Procchio.
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In einer Hängematte kann man tatsächlich schlafen, man muss nur müde genug sein, dachte Magdalena, als sie wieder erwachte. Sie lieà ein Bein heraushängen und stieà sich mit dem Fuà ab, die Hängematte schaukelte sanft. Die Sonne stand schon hoch, die Kronen der Pinien schwankten vor dem Blau des Himmels. Sie gähnte und fühlte, wie warm und schwer ihr Körper in der Stoffbahn lag. Es war ein Phänomen: Anstatt sich Sorgen zu machen, wie sie nach Deutschland kam, anstatt einen Flug zu buchen und mit dem Zug schon längst unterwegs nach Pisa zu sein, verträumte sie hier die Stunden. Es musste an dem Garten liegen, sie fühlte sich an diesem Ort überraschend gut aufgehoben, ganz ruhig und irgendwie glücklich. Nach einiger Zeit stand sie auf und schlüpfte in ihre Schuhe. Langsam ging sie unter den Zitronenbäumen entlang bis zur Mauer.
»Auf Wiedersehen, Mauer«, es klang überhaupt nicht lächerlich, »auf Wiedersehen, Bäume â¦Â« Augenblick mal, was hatte er denn da hinten schon wieder gemacht? Sie ging näher. Das Podest war verschwunden, Matteo hatte die Holzverschalung abgerissen und das Brunnenbecken
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