Magdalenas Garten
â¦Â«
»Du bist fantastisch, Gian-Luca!« Sie drückte ihm einen Kuss auf die Wange, die er ihr bereitwillig hinhielt. Er lächelte verlegen.
»Du natürlich auch, Massimo, tausend Dank!« Sie beugte sich zu ihm hinunter.
»Wo wirst du heute schlafen?«, fragte Massimo. Darüber hatte sie auch schon nachgedacht. Bei einem von den beiden? Wahrscheinlich wohnten sie noch zu Hause, und ihr Erscheinen würde eine italienische Mamma, wahrscheinlich sogar eine ganze Familie in höchste Alarmstufe versetzen. Ausgeschlossen. Nina? Fiel auch aus. In der Hängematte im Zitronengarten? Sie wollte Matteo nicht begegnen, auÃerdem hatte sie Angst, alleine drauÃen zu sein. Blieb nur noch Holger. Er hatte oft späte Kunden und räumte danach seinen Laden auf,
bevor er schlieÃlich zu ihr in die Bar kam, um seinen Espresso zu trinken.
»Bei einem Freund auf einem rosa Sofa«, sagte sie.
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Sie hatte Glück, im Laden war noch Licht. Magdalena blieb mit ihren Taschen vor der Tür stehen und klopfte. Holger schaute auf, seine Miene war nicht sonderlich überrascht, als er ihr öffnete.
»Bist du auf der Flucht?«
»Ja!«
»So schlimm?«
Sie nickte. »Ich muss heute bei dir übernachten.«
»Okay. Erzähl!«
In wenigen Sätzen erklärte sie ihm, was passiert war.
»Was für eine Geschichte!«, sagte er ein ums andere Mal.
»Gut, dass du da vom Boot runtergekommen bist, Schätzele! Aber wo packen wir dich heute Nacht hin? Ich würde dir gerne mein Bett anbieten, aber ich habe schon Besuch.« Er zuckte theatralisch mit den Schultern.»Ein alter Freund aus Deutschland, ach, nervig irgendwie. Kommt hier an, hat kein Geld, sagt, mach dir keine Umstände, aber was tut er? Er fordert, fordert, fordert. Die Insel ist ihm zu voll, der Cappuccino zu teuer, die Männer nicht hübsch genug, die Szene zu klein.« Er hielt inne. »Aber was quatsche ich dich damit vollâ¦? Du brauchst ein Bett, Sicherheit, einen Raum, den du abschlieÃen kannst. Bleibt nur die gute alte Chaiselongue.«
»Danke, Holger, mi hai salvato la vita! « Sie zuckte zusammen, wie ekelhaft, du hast mir das Leben gerettet, das war der erste Satz, den Roberto zu ihr gesagt hatte. Na und, sie würde sich von Roberto nicht den Rest ihres Lebens und ihrer Sätze diktieren lassen!
»Morgen früh muss ich dich allerdings um halb sieben wecken,
der Klempner kommt endlich wegen des HeiÃwasserboilers, die fangen hier ja alle noch früher an als in Deutschland. Wegen der Hitze und so.«
»Halb sieben ist perfekt!«
Holger grinste, wurde aber wieder ernst, als er ihren Blick sah. »Es gibt dann auch einen Espresso!«
39
B is vier Uhr wälzte Magdalena sich schlaflos auf dem Sofa hin und her, um halb sieben klopfte Holger an die Tür. Sie streifte sich eine ihrer dünnen, durchgeknöpften Jacken über, die sie so liebte, und eine halblange Hose, dazu ihre zweitschönsten Holzsandaletten, die schönsten waren auf der »Natasha« geblieben. Die beiden Reisetaschen lieà sie bei Holger stehen und nahm nur die Brottüte mit, ihre neue Handtasche. Gut, dass der Tank des Rollers noch halb voll war, sie hatte kein Geld, keine EC-Karte, kein Handy.
Magdalena fuhr in Richtung La Pila, der Morgen war kühl, die Sonne löste gerade die letzten Nebelschleier auf. Rechts an der StraÃe tauchte der Garten mit den violetten Artischockenblüten auf, plötzlich fiel ihr das Atmen der köstlich frischen Luft schwer. Ein letztes Mal, dachte sie, ein letztes Mal den Berg hinauf, ein letztes Mal den Berg wieder hinunter, ein letztes Mal die hässliche rot-weiÃe Gokartbahn, die Tankstelle, ein letztes Mal der hübsche Kirchplatz mit der kleinen Kirche, deren Portal immer noch geschlossen war. Robertos Jeep stand vor der Tür. Magdalena stieg vom Roller ab, sie hätte das letzte Stück schieben sollen, jetzt hatte er sie natürlich gehört. Sie holte die Schachtel aus der Tüte und öffnete sie. Die Walther lag zuverlässig in ihrem Samtbett, sogar mit einem Schalldämpfer, hatte sie gestern auf ihrer Chaiselongue erfreut festgestellt.
Sie drehte ihn auf die Mündung, die Waffe würde verhindern, dass Roberto zu nah an sie herankam, vielleicht hatte er seine Freunde ja gleich mitgebracht. Sie schluckte, ihr Mund war trocken, mit zittriger Hand schloss sie die Tür auf. Aufmerksam schaute
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