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Magdalenas Garten

Titel: Magdalenas Garten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gerstenberger
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Schlag schwiegen alle Grillen. Lag das etwa an ihr? Die Stille dehnte sich aus, irgendwie unheimlich, Magdalena betrachtete die Sonnenflecken, die auf ihrem Arm tanzten. Hier, zwischen den beiden kräftigsten Bäumen, ist der ideale Platz für eine Hängematte, dachte sie, die würden mein Gewicht aushalten. Und Bienen müsste man haben, um die vielen Zitronenblüten zu bestäuben, und dann einfach hier leben, Zitronengärtnerin sein. Gab es den Beruf? Egal, es hörte sich jedenfalls gut an, Zitronengärtnerin in einem Nachtclub …
    Magdalena musste grinsen, Bienen, warum nicht? Sie liebte den Geruch von Honig, wenn er aus der Honigschleuder in das Metallsieb über dem Eimer rann. Rudi hatte ein Bienenhaus hinten im Garten, sie stand gern neben ihm, unter weißem Hut und Schleier verborgen, und nebelte ihn mit dem Rauch aus der Imkerpfeife ein. Ohne Schutz, mit bloßen Händen, nahm ihr Großvater die Waben aus dem Kasten, während die Bienen angesäuselt vom Rauch der Pfeife aufflogen. Ein köstlicher Duft, der noch lange in den Kleidern und Haaren hing und auf ihrer Favoritenliste ganz oben, kurz vor gerade geschleudertem Honig, rangierte. Sie erhob sich und rief leise: »Ihr könnt weitermachen!« Prompt setzte eine der Grillen wieder ein, die anderen folgten. Magdalena lachte und pflückte
von einem dornigen Zweig über ihrem Kopf feierlich die erste Zitrone ihres Lebens. Da fahre ich schon seit zwei Jahren mit dem Bus durch Italien, renne von einem Restaurant in das nächste, sehe Kunstwerke von Michelangelo und Botticelli, Amphitheater und wunderschöne Ansichtskarten-Landschaften und habe noch nicht mal eine einzige Zitrone vom Baum geerntet. Mit geschlossenen Augen schnupperte sie an ihr. Das Ding war irgendwie klebrig, Magdalena riss die Augen auf. Etwas Weißes mit Flügeln krabbelte ganz nah an ihrer Nasenspitze herum, hastig schleuderte sie die Zitrone von sich. Sie prallte mit einem trockenen Laut an einen Pinienstamm und fiel auf den Boden. Auch die zweite und dritte Zitrone ihres Lebens, die sie vom Nachbarbaum abpflückte, war von den kleinen Tierchen befallen. Zählend wanderte Magdalena zwischen den Bäumen umher. Nur zwei der acht Bäume schienen krank zu sein, ausgerechnet von denen hatte sie die Zitronen geerntet, an den Unterseiten der Blätter wimmelte es von den winzigen weißen Fliegen. Hoffentlich hatten sich die anderen noch nicht angesteckt. Sie schaute genauer nach. Keine Fliegen, dafür klebrige Blätter und weiße Flocken an den Astgabelungen und Blattadern. Magdalena nahm ein kleines Stöckchen vom Boden und versuchte eine der weißen Anhäufungen abzustreifen. Sie hatten ein schmieriges braunes Innenleben und schienen die Pflanzen auszusaugen. Mit einer Mischung aus Ekel und Faszination zermatschte sie noch weitere Flocken, aber irgendwann gab sie entmutigt auf. Selbst wenn sie zwei Tage so weitermachte, würde sie doch nie alle erwischen. Wie wurden die Bäume bewässert? Magdalena schaute sich um, konnte aber keine Wasserleitung entdecken. Es würde keine Hängematte und kein Bienenhaus geben. Der Zitronengarten starb an einer Invasion weiß geflügelter Tierchen und schmieriger Flocken und verdurstete obendrein. Sie pflückte ein Blatt und rieb es zwischen
den Fingern, frisches Zitronenaroma entfaltete sich unter ihrer Nase.
    Â»Tut mir leid, aber ich kann mich nicht um euch kümmern.«
    Sie warf das Blatt weg.
    Â»Da gibt es gerade Wichtigeres!«

7
    D ie Küche war leer, roch angenehm nach Scheuermilch und einem Hauch von Knoblauch, aber Nina war immer noch nicht zurück. Magdalena ging in ihr Zimmer und schaute sich um. Hübsche, freche Zahnlücken-Nina mit den kleinen Tennisballbrüsten, dachte sie, irgendetwas stimmt bei dir nicht. Sie hatte sie schon mehrmals in ihrem Zimmer auf dem Bett, am Küchentisch oder auf der Terrasse überrascht, mit eingefrorenen Gesichtszügen, wie eine dieser gut erhaltenen Mumien aus den berühmten Katakomben von Palermo, saß sie dort. Dann machte sie ihr wirklich Angst.
    Keine Fotos, keine Bücher, als hätte sie keine Wurzeln und keine Identität - was war nur mit Nina los? Sie hatte doch eine Wohnung in Rom, warum lebte sie dann in diesem kahlen Zimmerchen? Magdalena schob einige Schuhe aus der mittlerweile von ihr geordneten Reihe und ließ sich vorsichtig vor dem Kleiderschrank nieder. Mal sehen, ob es bei

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