Magdalenas Garten
körperliche und geistige Verfassung war, spielte mit einem Mal den Greis, der ihre Pflege benötigte, nur um sie nach Hause zu zwingen. Sie hielt inne. Und wenn es ihm wirklich nicht gut ging? Vielleicht sollte sie doch früher nach Hause fliegen, sie erreichte hier doch sowieso nichts.
Magdalena nahm das Kehrblech an seinem langen Stiel, schob den kleinen Haufen mit dem Besen darauf und kippte alles in den Müll.
Ihr Magen knurrte laut. Hoffentlich brachte Nina eine schiaccina aus Procchios Bäckerei für sie mit. Magdalena liebte die zwischen zwei Teigschichten zusammengepressten Tomaten, Schinken, Mozzarella, besonders die Mayonnaise. Zugenommen hatte sie noch nicht, aber wenn sie so weitermachte, ohne das kleinste bisschen Sport, würde es nicht mehr lange dauern.
Magdalena erledigte den Abwasch, trat dann auf die Terrasse und zog die Luft stoÃweise durch die Nase, eine weitere Probe für ihr Geruchstagebuch, in das sie seit ihrer Kindheit Gerüche
einordnete wie andere Leute Briefmarken oder gepresste Blumen. Seltsamerweise lieÃen sich nur die angenehmen Erinnerungen eintragen, denn Gerüche, die mit schlechten Erinnerungen verbunden waren, vergaà sie sofort wieder.
Unter »Elba, POLO « gab es schon mehrere Einträge: Ninas weiÃe Mönchszelle mit dem leichten Handcreme-Flair, die Küche mit Matteo auf dem Bett liegend, die Küche ohne Matteo auf dem Bett liegend, das pilzige Sofa auf der Terrasse, das gechlorte Bad, gesättigt mit dem Bleichmittel, das Mikki literweise in seine Handwäsche goss. Nun fügte sie noch » POLO , Terrasse, mittags« hinzu.
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Magdalena ging wieder hinein. Elf Uhr, es würde sicher noch eine Weile dauern, bis Nina zurückkam, heute Morgen hatte sie Matteo und Nina wie ein altes Ehepaar darüber streiten hören, aber natürlich war Nina doch gefahren. Sie tat letztlich nie das, was Matteo für richtig hielt.
Magdalena durchquerte die geputzte Küche, humpelte zur Haustür raus und stieg mit ihrem steifen Bein langsam die schmale Treppe hinunter. Bevor sie in vier Tagen wieder abreiste, wollte sie das Gelände unbedingt noch ganz erkunden. Sie lauschte. Wo war Matteo? Sie hatte ihn seit heute Morgen beim Frühstück nicht mehr gesehen.
Magdalena ging rechts an dem Gebäude vorbei und fand ein abgelegenes Rondell mit zwei eisernen Bänken, die zwischen verschiedenen Palmenarten versteckt standen. Aus dem Kies schoss das Unkraut kniehoch hervor. Dahinter erhob sich ein Maschendrahtzaun, der sich um das Gelände zog, in drei Metern Höhe kringelte sich Stacheldraht. In diese Richtung war also Ende. Langsam ging sie zurück und begann die Stufen bis zur StraÃe hinabzusteigen, auf der anderen Seite führte eine Treppe wieder hoch. Eine Eingangstreppe, eine für den Ausgang.
Vor der rot-weiÃen Absperrkette hielt sie an, dort unten stand Matteo. Unwillkürlich fuhr sie zurück. In seiner Nähe fiel ihr rein gar nichts mehr ein, und er konnte mit ihr anscheinend auch nicht allzu viel anfangen.
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Matteo bemerkte sie nicht, er hatte einen Eimer gelber Farbe vor sich und malte mit einer Rolle um den POLO -Schriftzug herum. Sie schaute ihm zu, bis ihr klar wurde, dass sie ihn heimlich beobachtete.
»Ciao!«
Er fuhr erschrocken herum und grinste dann verlegen. Nach ein paar unendlichen Sekunden deutete er mit der Malerrolle auf die Zweige, die sich auf der StraÃe häuften.
»Das musste ich erst mal alles wegschneiden, war total zugewachsen â¦Â« Er strich schweigend weiter.
»Aha.« Sie blickte auf die andere StraÃenseite, hier war er für sie während der Handtaschensuche den Abhang hinuntergerutscht. Sollte sie sich noch einmal dafür bedanken?
»Na, dann â¦!« Wie dumm, dumm, dumm, na dann! Hochinteressantes Gespräch, Magdalena, was soll das, wieso bringst du in der Nähe von älteren Männern keinen vernünftigen Satz zustande ⦠Ãlteren Männern? Sie hatte Nina gefragt, er war erst dreiunddreiÃig, sah aber durch diesen unrasierten Look, den er anscheinend liebte und pflegte, älter aus. Sie dagegen ging überall noch für fünfundzwanzig durch. Gesichtstechnisch sind wir zehn Jahre voneinander entfernt, und auch sonst trennen uns Welten. War das wirklich wahr? Was wusste sie schon über ihn? Sie hatte ja noch nie mit ihm geredet. Er war mit zwanzig und kaputten Kreuzbändern aus der
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