Magdalenas Garten
geschaffen.
Die Zeit verging, niemand kam, um nach ihr zu sehen, Magdalena zählte die Tische wieder und wieder. Sie entdeckte eine schmale Tür, die ihr bei ihrem Bewerbungsgespräch gar nicht aufgefallen war. Mit schwarzem Filzstift hatte jemand WC daraufgeschrieben. Nach ein paar weiteren ereignislosen Minuten folgte sie dem warmen Plätzchengeruch des laboratorio und spähte durch den Türspalt in den dämmrigen Raum. Die Arbeitsflächen waren silbrig blank, alles lag an seinem Platz, mehrere weiÃe Kittel hingen ordentlich an einer Hakenreihe, der groÃe Quirl einer Rührmaschine schwebte vielversprechend über der leeren Schüssel in der Luft. Magdalena sah sich kurz um und schlüpfte dann in die Backstube. Ein rechteckiger Behälter voller Eiscreme stand schief auf der Arbeitsfläche
neben der Tür. Sie rückte ihn mit einem Finger gerade, er war kalt, Wassertröpfchen hatten sich an dem Metall gebildet. Mit geblähten Nasenflügeln beugte sie sich hinab, sodass ihre Nasenspitze die braune Oberfläche fast berührte. Nussgeschmack, vermutete sie. Ihr Zeigefinger schwebte über der Masse. Nur einmal probieren. Mmmh. Köstlich. Wieder und wieder tauchte ihr Finger in die cremige Masse und füllte danach süà ihren Mund. Dann besah sie ihr Werk. Na prima, sie würde sofort rausfliegen, noch heute Abend, warum ging sie nicht lieber gleich? Es war warm hier drinnen, kleine SchweiÃtröpfchen bildeten sich auf ihrer Oberlippe. Sie versuchte die verwüstete Eiscreme-Landschaft zu glätten, ihre Finger wurden dabei eiskalt. Ging doch, wenn sie alles durchrührte, sah man es kaum.
»Ecco qua!« Sie schreckte zusammen, hinter ihr stand ein bärtiger kleiner Mann, ach hier bist du! » Piacere, Franco«, stellte er sich vor. »Damit«, er drückte ihr einen Lappen in die Hand, »kannst du die Tische abwischen, und das hier schmeiÃen wir jetzt ganz schnell weg. Sara sagte, es hätte aus Versehen den ganzen Nachmittag drauÃen gestanden und dann wieder in der Kühlung, das kann man den Kunden natürlich nicht mehr zumuten.« Sein Italienisch war sauber akzentuiert und mühelos zu verstehen, er packte den Behälter und stellte ihn mit einem dumpfen Knall in das tiefe Spülbecken. »Lass einfach heiÃes Wasser drauflaufen«, schon war er wieder aus der Tür.
Ohne ein Wort geantwortet zu haben, verharrte Magdalena für einige Sekunden auf derselben Stelle, automatisch wischte sie sich mit dem Lappen die Hände ab. Dann rannte sie hinaus, schlängelte sich zwischen Tischen und Stühlen hindurch und schaffte es gerade noch rechtzeitig, die WC-Tür hinter sich zu schlieÃen.
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An diesem Abend stand Magdalena dank Franco keine Sekunde mehr müÃig herum. Sie wischte die Tische und die klebrigen Getränkekarten mit Seifenwasser ab und versuchte, die Preise auswendig zu lernen. Sie lieà sich von Franco erklären, wie die kleine Spülmaschine zu befüllen war, und reinigte die Aschenbecher von den Tischen drauÃen mit einem Pinsel, der mit einem Band an einen extra für diesen Zweck bereitstehenden Mülleimer gebunden war. Ab zehn Uhr wurde es langsam voller.
Der Innenhof blieb bis auf zwei Tische leer, doch auf der StraÃe waren alle Tische schnell immer wieder besetzt. Die Gäste bestellten bei ihr Espresso und Eisbecher, seltener etwas wie Wein oder Bier. Magdalena verstand weniger, als sie erhofft hatte, sagte dennoch »Si, grazie!« und eilte mit ihren in Lautschrift aufgeschriebenen Notizen zu Franco. Un crodino, due aleatico, una media, due spritz, un decaffeinato , was immer das war, sie nahm, was Franco ihr auf das Tablett stellte, und versuchte sich zu erinnern, welcher Tisch was bekam. Wenn jemand zahlen wollte, musste sie Franco hinter der Kasse die Getränke aus dem Gedächtnis oder ihren krakeligen Aufzeichnungen diktieren, mit dem Bon lief sie zum Tisch, kassierte und brachte das Geld wieder zu Franco. Sie nahm sich vor, für morgen Abend ein anderes System zu erfinden. Was passierte, wenn alle Tische im Innenhof besetzt sein sollten? Das Chaos war vorprogrammiert. Um Mitternacht war Schluss, Walter war schon lange nach Hause gegangen, als Franco das Rollgitter halb hinunterlieÃ. Magdalena trocknete die Einzelteile der Kaffeemaschine ab, die Franco ihr auf ein Geschirrhandtuch legte, füllte die Zuckerpäckchen in der Schüssel auf dem Tresen
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