Magdalenas Garten
auf, sie wischte den Boden der Bar mit einem scharfen Putzmittel, das ihr die Tränen in die Augen trieb, dann durfte sie gehen.
Erschöpft vom vielen ungewohnten Laufen, schwang sie sich
auf ihren Roller und fuhr in die Dunkelheit. Der Lichtkegel schreckte kleine Tiere auf und warf seltsame Schatten auf die Büsche, als sie über den unbefestigten Weg auf ihren Wohnwagen zuratterte. Am Duschhäuschen gab es kein Licht. Sollte sie in dieser dunklen Höhle mitten im Nichts noch mit eiskaltem Wasser duschen? Die Temperatur des Wassers war kein Problem, wenn es drauf ankam, war sie immer noch Opa Rudis abgehärtetes kleines Mädchen. Und dass dort jemand auf sie lauerte, war unwahrscheinlich. Flüchtig schnupperte Magdalena an ihrer Achselhöhle. Nötig wäre es, absolut, und ich habe ja auch keine Angst. Natürlich habe ich keine Angst. Aber ich werde auf die Dusche heute Abend verzichten können. Rasch sprang sie in den Wohnwagen und sperrte die Tür hinter sich ab. Die Gaslampen lieà sie aus, ihr Fauchen war ihr suspekt, sie sahen so aus, als ob sie nur auf einen unbeobachteten Moment warteten, um sich selbst in Brand zu stecken. Aber auch die Taschenlampe, die sie mit dem Lichtkegel nach oben auf den Tisch stellte, schuf eher eine gespenstische als eine gemütliche Atmosphäre. Im Dunklen zog sie den weichen Pullover über, aus dem sie sich morgen früh, sobald die Sonne auf den Wohnwagen knallte, wieder verschwitzt herausschälen müsste, und schlüpfte unter die Decke. Tavolo 5, due caffè, unâ acqua minerale gasata, un gelato al limone ⦠gelato al limone ⦠gelato al limone â¦
Bonk!
Ein einzelner harter Schlag an der Tür. Obwohl sie das Gefühl hatte, gerade erst ein paar Minuten geschlafen zu haben, war Magdalena sofort hellwach. Ihre Glieder waren kraftlos und eiskalt, und ihr Herz donnerte mit schnellen StöÃen in ihrer völlig trockenen Kehle. Ohne den Kopf zu heben, linste sie an dem blauen Vorhang vorbei nach drauÃen. Der Himmel war schon dämmrig grau, die Sonne noch nicht aufgegangen, halb fünf vielleicht. Wenn jetzt ein Gesicht an der Scheibe auftauchen
sollte, würde sie sterben vor Angst, so viel war sicher. Magdalena kniff die Augen schnell wieder zu und stellte sich tot. Was war das für ein Geräusch gewesen? Eindeutig ein Hieb. Wahrscheinlich nur ein Tier. Oder eine Männerfaust! Sie war das Tier, sie war ganz allein hier drauÃen, die nächsten Häuser waren Hunderte von Metern entfernt. Sie wagte nicht, noch einmal die Augen zu öffnen, und hielt die Luft an. Sie saà in der Falle, musste raus, weg von hier. Doch was wartete vor der Tür auf sie? Magdalena zwang sich weiterzuatmen, die Minuten vergingen, alles blieb still. Dann stand sie langsam auf und spähte aus allen drei Fenstern vorsichtig nach drauÃen, sie sollten sie nicht sehen. Wer? Es war niemand da. Vielleicht hatten sie sich hinter dem Wohnwagen im Schilf versteckt. Langsam, ohne Geräusche zu machen, zog sie die lange Hose mit dem weiten Schlag und das coole Jackett an, schlüpfte in die flachen Ballerinas, in denen sie am schnellsten laufen konnte, setzte ihren Helm auf, schnappte sich den Rollerschlüssel und atmete tief durch. Wenn sie sterben müsste, war sie wenigstens gut angezogen. Jetzt raus, auf den Roller, so schnell wie möglich losfahren! Magdalena stürmte aus der Tür. Mit geballten Fäusten, bereit, laut zu schreien, sah sie sich um, immer noch niemand zu sehen, im Schilfrohr hinter dem Wagen knackte es. Mit zitternden Fingern steckte sie den Schlüssel ins Schloss, sprang auf, stieà den Roller vom Ständer und jagte den Feldweg entlang. Erst als sie auf der StraÃe nach Procchio war, bemerkte sie die kleinen trockenen Schluchzer, die ihr alle fünf Sekunden entfuhren.
Â
Magdalena stellte den Roller in der Parkbucht ab und ging mit schweren Beinen die Stufen hinauf. Die grob behauenen Natursteine der alten Orangerie leuchteten warm im rosa Licht des Sonnenaufgangs. Auf der Tanzfläche angekommen, setzte sie
ihren Helm ab und fuhr sich durch die immer noch ungewohnt kurzen Haare. Da oben schliefen noch alle, jemand hatte auf der Terrasse vier schwarze T-Shirts über die Wäscheleine gehängt. Matteo. Sollte sie sich in die Küche schleichen? Schon sah sie sich vor Matteos Bett stehen und ihn beim Schlafen beobachten. Er hatte sie ja noch gar nicht mit ihrer neuen
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