Magdalenas Garten
hervorstehenden Bauch. Sie schüttelte bedauernd den Kopf.
»Fegato?« Ja, Leber verstand sie.
»Stomaco?« Magen. Okay.
»Ballone. Bile.« Meinte er die Gallenblase?
»Ach so!« Sie nickte, als hätte sie alles verstanden.
» Ack so , das sagten die deutschen Mädchen auch immer, ack so .« Er lachte, und seine Augen zogen sich wie auf dem Foto zu zwei Bögen nach oben.
»Welche deutschen Mädchen?«, stotterte Magdalena aufgeregt und beeilte sich, einen Blick auf seine Eckzähne zu erhaschen. Fehlanzeige, er bedeckte den Mund beim Lachen mit der Hand, als wollte er sie damit ärgern.
»Da gab es die Marion und die Kerstin, die kamen immer wieder, und Gerliiinde!« Er sprach den Namen so zärtlich aus, dass es ihr peinlich war.
»Gerliiinde kam aus Hamburgo , sie hatte wundervolle rote
Haare und war bella, bella, bella !« Ja ja, alle waren sie immer bella , er sollte nicht von einer Gerlinde schwärmen, sondern von ihrer Mutter, wenn überhaupt.
»Und kanntest du auch eine Heidi?« Verdammt, warum hatte sie das Foto zu Hause gelassen?
»âeidi? Nein!« Das kam zu schnell, und auch dass er jetzt davonstürzte, um wieder in irgendeinem Zettelhaufen nach etwas zu wühlen, war höchst verdächtig. Er kannte ihre Mutter, er hatte ein schlechtes Gewissen, er hatte ein paar schöne Tage und Nächte mit ihr verbracht und sich dann vor ihr versteckt und sich verleugnen lassen. Magdalena hatte sich den Moment immer so bedeutsam, so groÃartig vorgestellt, in dem sie für einen Unbekannten »Tochter« wurde. Doch nun spürte sie nichts als gleichgültige Leere in sich und wollte die Sache nur noch hinter sich bringen: War er es oder nicht? Ich werde mit Nina wiederkommen, dachte sie, mit ihrer Verstärkung wird es leichter sein, ihm das Foto vors Gesicht zu halten und ihn mit der Wahrheit zu konfrontieren.
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Als sie zwischen den rosa Tischen auf den Rosenbogen zulief, flatterte es eigentümlich in ihrem Hals, gleich würde sie losheulen. Sie hatte es vorher nicht gewusst, aber als Tochter hinter dem eigenen Vater herzulaufen war ein viel schlimmeres Gefühl, als ihn nicht zu kennen.
23
H alt still, komm, halt doch still, lass dich gehen!« Magdalena versuchte zu entkommen, aber der Druck seiner Daumen an ihrem Rückgrat war fordernd und entschlossen.
»Ich wollte zum Einkaufen. Wir haben kein Brot mehr.«
»Du willst später zum Einkaufen, jetzt willst du hierbleiben!« Mit den Fingern strich er durch die Vertiefung in ihrem Nacken bis zum Haaransatz hoch, an den Ohren vorbei und kreisend auf ihren Hinterkopf zu. Eine Gänsehaut lieà sie erschauern, und ihre Brustwarzen wurden hart. Gut, dass er hinter ihr saÃ, der Frauenverbraucher, er sollte das nicht sehen. Frauenverbraucher, so hatte Nina ihn doch genannt, er wusste, was er konnte, doch sie würde sich niemals in den Reigen seiner naiven Bewunderinnen einreihen. Da stehst du doch schon längst, sagte die unbestechliche Stimme in ihr, die einfach nicht zum Schweigen zu bringen war. Gut, am Anfang schon, aber ich wehre mich jeden Tag dagegen. Ja, richtig, hier sehen wir gerade eine Demonstration deiner akuten Gegenwehr.
»Komm, ich zeig dir ein paar Tricks aus der Thaimassage«, hatte Roberto gesagt und Magdalena auf dem Boden seines Zimmers Platz nehmen lassen, während er sich selbst auf sein Bett setzte. Widerstrebend hatte sie gehorcht. Er sollte nicht denken, dass sie dauernd verfügbar war, sie hatte sich vorgenommen,
nicht zu springen, sobald er pfiff. Sie entschied, wann sie Lust auf ihn hatte. Leider war das ständig der Fall.
Doch wieder einmal musste sie zugeben, dass er ein Meister im Massieren war, er riss nicht an ihren Haaren, war nicht zu sanft und nicht zu heftig. Erneut lief eine Gänsehaut in Wellen an ihr hinab, schwierig, ihn das nicht merken zu lassen.
»Mit wie vielen Männern hast du schon geschlafen?«, fragte er auf ihren Hinterkopf hinunter.
»Wie bitte?!«
»Du hast schon verstanden, wie viele waren es?«
»Ãh, und du?«
»Ich bin Argentinier, bei uns fängt man schon früh damit an, amore zu machen. Mit zehn, mit elf. In Europa redet man eher darüber - wir tun es. Es gehört einfach zum Leben dazu.« Magdalena machte unwillkürlich ein schnaubendes Geräusch durch die Nase.
»Mit zehn habe ich auch noch nicht darüber geredet , sondern bin den
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