Maggie O´Dell 01 - Das Boese
ich alles für dich tue, und du zahlst es mir mit solchen Gemeinheiten heim.“
„Gemeinheiten? Ich war noch nie gemein zu dir“ , sagte sie zu ihrem jüngeren Bruder. „Jedenfalls nicht richtig.“
„Das habe ich nicht gemeint, und das weißt du auch.“
Sie setzte sich gerade hin, bereit sich zu rechtfertigen, da ein leises Schuldgefühl an ihr nagte. Ja, sie hätte ihn anrufen sollen, ehe sie die Geschichte in die Redaktion gegeben hatte. Aber was, wenn er sie aufgefordert hätte, den Artikel nicht zu bringen? Immerhin hatte sie sich damit auf die andere Seite der Redaktionstür katapultiert. Anstatt hilfreicher Haushaltstipps hatte sie in den letzten beiden Tagen zwei Leitartikel mit ihrem Namenszug verfasst. Und ab morgen saß sie an ihrem eigenen Schreibtisch in der Lokalredaktion.
„Wie wäre es, wenn ich es wieder gutmache? Dinner morgen Abend? Ich mache Spaghetti mit Fleischbällchen und Mamas Geheimsauce.“
Er sah sie an und warf einen Blick auf ihr Notizbuch. „Du begreifst es einfach nicht, was?“
„Ach komm schon, Nick. Du weißt, wie sehr ich darauf hin gearbeitet habe, aus der ,Leben heute‘-Ecke herauszukommen. Wenn ich den Artikel nicht gebracht hätte, hätte es jemand anders getan.“
„Wirklich? Und hätte dieser Jemand auch einen Officer zitiert, der ihr privat etwas anvertraut hatte?“
„Er hat mir nicht gesagt, dass es vertraulich war. Falls Gillick etwas anderes behauptet, lügt er.“
„Ich wusste gar nicht, dass es Eddie war. Mein Gott, Christine, du hast gerade eine anonyme Quelle preisgegeben.“
Ihr wurden die Wangen warm, und sie wusste, dass ihre normalerweise blasse Haut puterrot war. „Verdammt, Nick. Du weißt, wie sehr ich mich bemühe. Ich bin ein bisschen eingerostet. Aber ich kann eine richtig gute Reporterin sein.“
„Wirklich? Ich halte deine Berichterstattung für verantwortungslos.“
„Jetzt mach aber mal einen Punkt! Nur weil sie dir nicht gefällt, ist sie noch nicht verantwortungslos!“
„Und was ist mit der Schlagzeile?“ presste Nick hervor. Sie konnte sich nicht erinnern, ihn je so zornig erlebt zu haben. Er wich ihrem Blick aus und beobachtete die rennenden Jungen auf dem Spielfeld. „Wie kommst du dazu, diesen Mord mit Jeffreys in Verbindung zu bringen?“
„Es gibt auffallende Ähnlichkeiten.“
„Jeffreys ist tot“ , flüsterte er und sah sich um, ob jemand sie hören konnte. Er faltete die Hände vor dem rechten Knie und stieß rhythmisch mit einem Fuß gegen die Bankreihe vor ihnen. Ein nervöser Tick, den Christine seit der Kindheit kannte.
„Werde erwachsen, Nick. Jeder mit einem Funken Verstand wird diese Tat mit denen von Jeffreys in Verbindung bringen. Ich habe nur geschrieben, was viele denken. Willst du behaupten, ich liege falsch?“
„Ich will sagen, dass wir keine Panik in der Stadt brauchen, die gerade wieder an die Sicherheit ihrer Kinder zu glauben beginnt.“ Er verschränkte die Arme vor der Brust, da er nicht zu wissen schien, was er mit den geballten Händen tun sollte. „Du hast mich wie einen verdammten Idioten hingestellt!“
„Verstehe. Darum geht es also. Die Panik in der Stadt ist dir völlig egal. Du machst dir nur Gedanken, wie du in der Öffentlichkeit dastehst. Warum überrascht mich das nicht?“
Er sah sie wütend an. Einen Moment hatte es den Anschein, als wolle er sich rechtfertigen, doch dann blickte er nur schweigend aufs Spielfeld. Sie hasste es, wenn er ihre billigen Seitenhiebe kommentarlos hinnahm. Schon als Kind hatte er nicht gewusst, wie er sich gegen ihre Beleidigungen zur Wehr setzen sollte - ihre Geheimwaffe. Offenbar wurde sie alt, denn plötzlich bedauerte sie, ihn gekränkt zu haben.
Zugleich wurde sie jedoch ungehalten über die Art und Weise, wie er die Dinge anging. Immer suchte er den Weg des geringsten Widerstandes. Aber schließlich, warum auch nicht? Nick schien alles zuzufliegen, von Job-Angeboten bis zu Frauen. Und er flatterte mühelos und ohne Gewissensbisse von einer zur anderen, ohne lange nachzudenken. Als ihr Vater den Sheriffposten damals aufgab, hatte er darauf bestanden, dass Nick sich darum bemühte. Der hatte seine Professur an der Uni ohne zu zögern aufgegeben. Zumindest war ihr kein Zögern aufgefallen, obwohl sie wusste, dass er als umschwärmte lebende Legende gern an der Uni war.
Ohne Schwierigkeiten - und eigentlich auch vorhersehbar - war er zum Bezirkssheriff gewählt worden. Allerdings gab Nick als Erster zu, dass er das Amt nur seinem
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