Maggie O'Dell 03 - Schwarze Seele
eine Sache zu tun.
„Gibt es schon Nachricht, ob die Agenten am Lager sind?“ fragte sie.
„Warum setzen Sie sich nicht?“ erwiderte er und deutete auf einen Stuhl.
Tully spannte sich unwillkürlich an, als er sah, wie O’Dell den Rücken straffte.
„Es gibt wieder eine Belagerung, nicht wahr?“ vermutete sie.
„Eigentlich nicht.“
„Eve sagte mir, dass Everett sich niemals lebend fangen lassen würde. Er hat seine Leute auf Selbstmord gedrillt. Genau wie die Jungen in der Hütte.“ Sie sprach mit ruhiger Stimm, doch Tully sah, wie sie mit einer Hand den Saum ihrer Windjacke knautschte. „Er weigert sich aufzugeben, nicht wahr?“
„Eigentlich ...“ Cunningham nahm die Brille ab und rieb sich die Augen. Tully wusste, dass ihr Boss nicht der Typ war, Zeit zu schinden, aber in letzter Zeit war der Mann nicht mehr berechenbar. „Everett ist nicht da. Er ist weg. Wir glauben, dass er vielleicht schon auf dem Weg nach Ohio oder Colorado ist.“
Maggie wirkte erleichtert, bis Cunningham ihr eine Hand auf die Schulter legte und sagte: „Das ist nicht alles, Maggie. Es waren noch Leute im Lager. In der kurzen Zeit, zwischen der Ankündigung des Geiselrettungsteams, dass sie dort sind, bis zum Eindringen ins Lager muss es eine Panik gegeben haben. Sie haben Recht mit dem Selbstmorddrill. Wir haben noch keine Zahlen, aber es gab Tote.“
67. KAPITEL
Er schloss die Augen und lehnte den Kopf zurück, doch die Übelkeit blieb. Wie zum Teufel konnte er reisekrank werden? Das war unmöglich. Es musste etwas anderes sein. Vielleicht nur die Aufregung, die Erwartung des unvermeidlichen Höhepunktes.
Die Motoren brummten weiter. Er hatte sie nicht gern so nah, versuchte aber trotzdem, sich von dem Klang entspannen zu lassen, und konzentrierte sich auf den nächsten, den letzten Schritt. Er musste sich nur aufrecht halten. Von seiner hausgemachten Mixtur hatte er fast nichts mehr. Er konnte es sich nicht leisten, etwas davon zu nehmen, wenn es nicht absolut nötig war. Er musste warten. Er konnte das, er war geduldig. Geduld war eine Tugend. Seine Mutter hatte das irgendwo in ihrem Tagebuch notiert. Viel Geduld war Weisheit.
Dann merkte er, dass er das Buch nicht hatte. Verdammt! Wie hatte er es vergessen können?
68. KAPITEL
Kathleen O’Dell legte den Kopf gegen die Sitzlehne und hoffte, das gleichmäßige Rumpeln des Busses dämpfe das Pochen in ihren Schläfen. Sie wusste genau, womit diese Schmerzen in den Griff zu bekommen waren, aber unglücklicherweise war weit und breit kein Tropfen Alkohol zu bekommen. Sie hatte sogar in der Hoffnung auf Hustenmedizin den Medizinschrank in der Cafeteria durchforstet. Leider hatte sie nur einen Plastikbeutel voller rot-weißer Kopfschmerzkapseln gefunden. Sie bedauerte jetzt, nicht ein paar davon geschluckt zu haben, um dieses ständige Hämmern im Schädel loszuwerden.
Das Mädchen Alice saß ruhig neben ihr im Sitz am Gang und sah immer wieder kurz zu dem jungen Mann hinüber, der ihr vorhin geholfen hatte. Sie konnte sich nicht gleich an seinen Namen erinnern. Warum hatte sie solche Probleme, sich Namen einzuprägen? Oder lag es nur daran, dass einfach zu viel passiert war? Ihre Augen brannten immer noch, und die Ohren klingelten ihr von den gehörten Beleidigungen. Die eingesteckten Schläge waren auch nicht vergessen. Sie spürte die Prellungen, wollte aber nicht mehr daran denken. Sie wollte schlafen und so tun, als sei alles okay. Vielleicht wurde ja alles wieder gut, sobald sie in Colorado waren.
Sie merkte, dass Alice immer kühner und länger zu ihm hinüberschaute, da die Beleuchtung im Bus bis auf die grünen Bodenlämpchen ausgeschaltet war. „Du magst ihn, nicht wahr?“ flüsterte sie Alice zu.
„Was?“
„Den Jungen auf der anderen Seite vom Gang, den du ständig ansiehst. Justin.“ Der Name fiel ihr wieder ein.
Sogar in der matten Beleuchtung sah Kathleen Alice erröten, was ihre Sommersprossen deutlicher hervortreten ließ. „Wir sind nur Freunde“, erwiderte sie. „Sie wissen, Vater erlaubt nicht mehr. Wir müssen keusch bleiben und unsere Körper rein halten“, fügte sie hinzu, als lese sie es von einer Broschüre ab.
„Ich finde ihn sehr nett.“ Kathleen ignorierte den Spruch und deutete mit einem Nicken in Justins Richtung. „Und er sieht gut aus.“
Ein weiteres Erröten, diesmal von einem Lächeln begleitet. „Ich glaube, er ist böse auf mich, aber ich weiß nicht, warum.“
„Hast du ihn
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