Maggie O'Dell 03 - Schwarze Seele
folgte.
Als er am Verwaltungsgebäude vorbeikam, sah er das Büropersonal Papiere schreddern und Computerfestplatten auseinander nehmen. Hinter dem Gebäude hatten drei Frauen ein kleines Feuer gemacht und warfen Aktenordner und stapelweise Unterlagen hinein. Justin sah das Licht einer Taschenlampe und die breitschultrige Silhouette von Vaters Leibwächtern. Er konnte nicht erkennen, was sie taten, aber es sah fast so aus, als legten sie Kabel. Hier ging etwas Eigenartiges vor. Das sah nicht nach gewöhnlichen Reisevorbereitungen aus.
Justin blieb stehen und schaute verblüfft zum Bauplatz. Alles fortgeräumt. Keine Stapel Bauholz mehr, keine Kisten, keine Sägeböcke. Sogar der alte Traktor war weg. Er ging hin, um sich das genauer anzusehen. Wie zum Teufel waren sie das alles losgeworden? Wie konnten die das in so kurzer Zeit wegschaffen?
Dann entdeckte er das Licht hinter dem Abfallhaufen. Zwei Männer gruben, während einer die Taschenlampe hielt. Justin lehnte sich an ein altes Toilettenhäuschen, in dessen Schatten er verborgen blieb. Er sah die Männer vier Metallkisten aus dem Boden holen. Drei Männer waren nötig, um eine Kiste zu tragen. Mit langsamen, schweren Schritten hievten sie sie um die Ecke, die Straße hinunter zum geparkten Bus.
Während er sie beobachtete, ging ihm endlich ein Licht auf. Die machten sich nicht diese Mühe, um sich auf eine Gebetsversammlung vorzubereiten. Er konnte nicht fassen, dass er so begriffsstutzig gewesen war. Die machten den ganzen Aufstand, weil sie nicht zurückkommen würden!
65. KAPITEL
Auf der Rückfahrt von Richmond klingelte Maggies Handy.
„Hallo?“
„O’Dell?“ sagte Racine so eindringlich, dass Maggie noch nervöser wurde, als sie es ohnehin schon war. „Wo zum Teufel stecken Sie?“
„Ich bin auf der 1-95, auf dem Rückweg in die Stadt.“
„Wir treffen uns alle in Quantico.“
„Okay, dann bin ich nur noch zehn Minuten entfernt.“
„Gut.“ Racine klang erleichtert. „Sie haben Ganza nicht angerufen!“
„Verdammt! Das habe ich vergessen. Ist er da?“
„Er ist hier irgendwo, ich weiß nicht genau, wo.“
Maggie hörte Hintergrundgeräusche, offenbar ging Racine hin und her. Ein nervöser Tick, den sie schnell erkannte.
„Was ist, Racine? Haben Sie den Haftbefehl bekommen?
„Dank Ganza sogar mehrere. Tully hat einen alten Fall ausgegraben. Es ging um diese Geschichte, dass Everett eine Journalistik-Studentin vergewaltigt hat ... Verzeihung, angeblich vergewaltigt hat.“
„Das war vor über zwanzig Jahren, und die Anklage wurde fallen gelassen.“
„Nun ja, aber in Rappahannock County behält man Beweismittel in den Akten. Vermutlich kennt Ganza ein paar Jungs aus dem dortigen Büro des Sheriffs, und die haben ihm per Express ein paar DNA-Muster geschickt.“
„Ich kann nicht glauben, dass er Zeit für diesen alten Fall opfert. Wir können Everett nicht wegen Vergewaltigung belangen, gleichgültig, was Ganza gefunden hat. Die Anklage wurde fallen gelassen, und die Akte ist geschlossen. Außerdem ist die Verjährung für Vergewaltigung ...“
„Das Muster war alt“, unterbrach Racine sie, als hätte sie nicht zugehört. „Es gab Degenerationen, deshalb konnte er keine exakte Übereinstimmung herstellen. Aber er sagt, es waren auffallend viele.“
„Wovon reden Sie überhaupt?“
„Von den DNA-Mustern, die Ganza von den alten Proben gemacht hat. Die DNA stimmt fast mit derjenigen der fremden Haut unter Ginny Briers Fingernägeln überein. Wissen Sie noch? Die meiste Haut stammte von ihr selbst, doch sie hat dem Täter auch einige Kratzer beigebracht. Na ja, da war ein Stück fremder Haut, und Ganza könnte schwören, es stammt von Everett.“
Maggie verlangsamte das Tempo und fuhr auf den Randstreifen der Interstate, was ihr ein Hupkonzert bescherte, bis sie sicher stand. Sie konnte es nicht fassen. Sollte Everett tatsächlich ihr Täter sein? „Warten Sie eine Minute. Was ist mit dieser Jungenbande?“
„Allmählich ergibt alles Sinn, O’Dell. Vielleicht steckt ein abartiger Initiationsritus hinter unseren Morden. Das würde auch erklären, warum das Sperma, das bei dem Brier-Mädchen gefunden wurde, nicht von demselben Mann stammt wie die Haut unter ihren Fingernägeln. Einer von Everetts Jungen übernahm vielleicht die erste Aufgabe, während Everett sich um den Rest kümmerte.“
„Ich kann das nicht glauben“, wiederholte Maggie angespannt. Warum empfand sie keine Erleichterung, dass Everett und seine
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