Maggie O'Dell 03 - Schwarze Seele
geradeheraus.
„Das weiß ich eben nicht. Soweit uns bekannt ist, ist Caldwell noch bei Everett. Und meine Mutter auch.“ Maggie setzte sich wieder in den Sessel. Harvey trottete zu ihr und legte ihr den Kopf auf den Schoß. Maggie tätschelte ihn abwesend und lehnte den eigenen Kopf gegen das Polster. „Ich habe versucht, mit ihr über Everett zu reden. Es endete ... es war einfach schrecklich.“
Gwen wusste, wann sie schweigen sollte. Maggie hatte nur wenig über ihre Kindheit gesprochen. Was Gwen über die Beziehung zwischen Maggie und ihrer Mutter wusste, stammte aus Andeutungen, persönlichen Beobachtungen und zufälligen Geständnissen Maggies im Laufe der Zeit. Sie wusste von Kathleens Alkoholmissbrauch und von den Selbstmordversuchen, doch davon hatte sie erst erfahren, als ihre Freundschaft bereits einige Jahre alt war. Maggie hatte ihre Mutter und die Beziehung zu ihr zum Tabuthema erklärt.
Gwen nahm das hin, ob richtig oder falsch, und hoffte darauf, dass Maggie von sich aus eines Tages über diesen Konflikt mit ihr sprach. Selbst heute Abend und unter dem Druck der Umstände erwartete Gwen keine Offenbarung. Für alle Fälle lehnte sie sich jedoch abwartend gegen die Kante von Maggies Schreibtisch.
„Sie verletzt mit Worten, das macht sie immer so“, erklärte Maggie ruhig, hob den Kopf, wich aber Gwens Blick aus. „Damit trifft sie nicht nur mich, sondern auch sich selbst. Es ist fast so, als hätte sie ein Leben lang versucht, mich zu strafen.“
„Warum sollte sie dich denn strafen wollen, Maggie?“
„Weil ich meinen Vater mehr geliebt habe als sie.“
„Vielleicht will sie nicht dich strafen.“
Maggie blickte mit feucht glitzernden Augen auf. „Wie meinst du das?“
„Hast du mal darüber nachgedacht, dass sie all die Jahre nicht dich, sondern sich selbst strafen wollte?“
70. KAPITEL
Donnerstag,
28. November, Erntedanktag,
Cleveland, Ohio
Kathleen blickte über den Eriesee, und zum ersten Mal seit Jahren hatte sie Heimweh nach Green Bay, Wisconsin. Eine ungewöhnlich laue Brise verwehte ihr das Haar. Sie wünschte sich, das Erlebte zu vergessen und hinter sich zu lassen als einen weiteren dunklen Punkt ihrer Vergangenheit. Sie hätte sich gern die Schuhe ausgezogen und wäre zum Strand gelaufen, um für den Rest ihres Lebens ziellos durch den Sand zu marschieren, nur um ihn zwischen den Zehen zu spüren.
„Cassie wird mit er Leitung der Gebetsversammlung beginnen“, erläuterte Reverend Everett hinter ihr.
Sie sah über die Schulter, ohne sich von ihrem Platz an der offenen Terrassentür fortzubewegen. Reverend Everett hatte sich in ein First Class Hotel eingemietet, um zu duschen, sich zu rasieren und ein Telefon für die endgültige Bestätigung ihrer Termine zu haben. Als sie vorhin das Bad benutzt hatte, war sie überrascht gewesen von dem wunderbaren Luxus: parfümierte Seifen, Körperlotion, weiche Handtücher, ein richtiges Rasiermesser mit einer echten anstelle einer Einwegklinge, eine Duschhaube und sogar eine Dose mit Wattestäbchen.
Während Emily und Stephen sich Notizen machten und auf alles lauschten, was Reverend Everett ihnen dreien sagte, stand Kathleen nur da und genoss Sonnenschein und Wind.
Ihr war, als müsste sie nach dem demütigenden Ritual gestern Abend und der Fahrt in dem engen Bus neu atmen lernen. Sie hoffte, frische Luft und Sonnenschein halfen ihr, die Erinnerung an Everetts heißen Atem und das Stöhnen und Grunzen, während er immer wieder in sie hineingestoßen war, zu tilgen. Als er fertig gewesen war, hatte er auf ihre Kleidung gedeutet und mit einer nie gehörten Kälte in der Stimme befohlen, sie solle sich anziehen. Er hatte ihr gesagt, dieses Reinigungsritual sei nötig gewesen, damit er ihr wieder vertrauen könne.
Wortlos hatte sie ihre Sachen über den klebrigen Körper gezogen, und der aufdringliche Geruch seines Aftershaves hätte sie fast zum Würgen gebracht. Beim Verlassen seines Abteils hatte sie denken müssen, dass er sie soeben auch vom letzten Rest Selbstachtung gereinigt hatte.
„Das FBI wird wahrscheinlich den Park umstellen“, sagte Stephen. „Vater, Sie können nicht ernsthaft erwägen, sich auf der Gebetsversammlung zu zeigen.“
„Um welche Zeit wird das Frachtflugzeug bereitstehen?“
„Es soll um sieben starten. Wir müssen früh dort sein, um an Bord zu gehen.“
„Wie können wir sicher sein, dass das FBI nicht am Flughafen wartet?“
„Weil ich denen gesagt habe, Sie wären auf der
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