Maggie O'Dell 03 - Schwarze Seele
du?“
„Was willst du an Thanksgiving machen?“
Er sah sie verblüfft an, nahm sich ein neues Stück Pizza und merkte, wie ihm die gespielte Gleichgültigkeit entglitt. Unwillkürlich musste er schmunzeln. Seine Tochter machte sich Sorgen, dass er am Erntedankfest allein war. Gab es etwas Cooleres?
„He, ich habe einen vollen Tag Spaß eingeplant. Ich werde in meiner Unterwäsche vor der Glotze hocken und mir den ganzen Nachmittag Football anschauen.“
Sie runzelte die Stirn. „Ich dachte, College-Football ist dir zuwider.“
„Nun, dann gehe ich vielleicht ins Kino.“
Das brachte sie zum Kichern, und sie musste die Cola abstellen, um sie nicht zu verschütten.
„Was ist daran so lustig?“
„Du willst allein ins Kino gehen? Komm schon Dad, bleib auf dem Teppich.“
„Um ehrlich zu sein, muss ich wahrscheinlich arbeiten. Wir haben gerade einen ziemlich wichtigen Fall. Ich wollte sowieso mit dir darüber reden.“
Er zog die Fotokopie aus der Gesäßtasche, entfaltete sie und reichte sie Emma. „Kennst du dieses Mädchen? Sie heißt Virginia Brier.“
Emma sah es sich sorgfältig an, legte die Kopie beiseite und nahm sich ein neues Stück Pizza.
„Hat sie irgendwelche Probleme?“
„Nein, hat sie nicht.“ Tully war erleichtert, da Emma das Mädchen nicht zu erkennen schien. Natürlich war er unnötig besorgt gewesen. Samstagnacht hatten Hunderte die Gedenkstätte besucht. Ehe er sich völlig entspannen konnte, fügte Emma jedoch hinzu: „Sie mag es nicht, wenn man sie Virginia nennt.“
„Was?“
„Sie nennt sich Ginny.“
Allmächtiger! Ihm wurde wieder flau. „Demnach kennst du sie?“
„Alesha und ich haben sie auf dem Ausflug kennen gelernt. Ja, sie war Samstagabend auch dabei. Sie hat uns sauer gemacht, weil sie mit dem Jungen flirtete, der Alesha so gut gefiel. Er war echt cool und schien gern bei uns zu sein, bis dieser merkwürdige Reverend auf Ginny abfuhr.“
„Warte mal ne Sekunde. Wer war dieser Junge?“
„Er hieß Brandon. Er war bei Alice und Justin und diesem Reverend.“
Tully stand auf und ging dorthin, wo seine Windjacke lag. Er entleerte die Taschen, fand schließlich eines der Flugblätter, die überall am FDR-Memorial herumgeflattert waren, und reichte es Emma.
„Ist das dieser Reverend?“ Er deutete auf das Farbfoto auf der Rückseite.
„Ja, das ist er. Reverend Everett“, las sie vom Flugblatt. „Aber alle nannten ihn nur Vater. War mir irgendwie unheimlich. Ich meine, der ist doch nicht ihr Dad oder so.“
„So merkwürdig ist das nun auch wieder nicht. Katholiken nennen ihre Priester Pater oder Vater. Das ist eine Art Anrede wie Pastor oder Reverend oder Mister.“
„Ja, aber sie haben es nicht wie eine Anrede benutzt. Die haben alle so geredet, als wäre er tatsächlich ihr Vater, weil er ihr Anführer ist und weiß, was für alle am besten ist und so.“
„Diesen Brandon, hast du den mit Ginny weggehen sehen?“
„Du meinst, damit sie ungestört sein konnten?“
J
a a.
„Dad, da waren massenhaft Leute. Außerdem bin ich mit Alesha gegangen, ehe die Versammlung zu Ende war. Dieses ganze Gesinge und Geklatsche war ziemlich öde.“
„Denkst du, dass du diesen Brandon einigermaßen genau beschreiben kannst?“
Sie sah ihn an, als dämmere ihr allmählich, dass eine Verbindung zwischen seinen Fragen über Ginny und seinem Job als FBI-Agent bestehen könnte.
„Ja, ich denke, das kann ich.“ Sie wirkte aufrichtig besorgt, von Gleichgültigkeit keine Spur mehr. „Aber du hast doch gesagt, Ginny wäre nicht in Schwierigkeiten.“
Er zögerte und überlegte, was er ihr erwidern sollte. Sie war kein kleines Mädchen mehr, und wahrscheinlich erfuhr sie es ohnehin aus dem Fernsehen. Vor der Wahrheit konnte er sie nicht schützen, auch wenn er sie zu behüten versuchte. Außerdem würde sie ihm böse sein, falls er sie belog.
Er langte zu ihr hinüber, nahm ihre Hand und sagte: „Ginny ist tot. Jemand hat sie Samstagnacht umgebracht.“
32. KAPITEL
Montag, 25. November,
FBI-Akademie, Quantico, Virginia
Maggie streifte Agent Tully mit einem Seitenblick, während sie zusahen, wie Agentin Bobby LaPlatz mit dem Bleistift schraffierte Linien zeichnete. Wie durch ein Wunder erhielt das Gesicht auf dem Skizzenblock eine schmale, gerade Nase.
„Sieht ihm das ähnlich?“ fragte sie Emma, die neben ihr saß, die Hände im Schoß, die Augen auf die Zeichnung gerichtet.
„Ich denke - aber die Lippen stimmen nicht ganz.“ Emma warf ihrem
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