Maggie O'Dell 03 - Schwarze Seele
vorgestellt wurden, dass das Nick Morrelli sein musste, der Mann, bei dessen Namen Maggie errötete. Gwen verstand, warum. Er war noch attraktiver, als Maggie ihn beschrieben hatte, und entsprach geradezu einem Klischee: groß, dunkelhaarig, gut aussehend, mit einem kantigen Kinn, warmen blauen Augen und Grübchen, wenn er lächelte.
„Sie müssen Nick Morrelli sein“, sagte sie und gab ihm die Hand, sobald er am Fuß der Treppe angelangt war. „Ich bin Gwen Patterson.“
„Und ich bin Agent R. J. Tully.“ Er musste das Gepäck neu ordnen, um eine Hand freizubekommen, wobei er fast ihren Koffer fallen ließ.
„Lassen Sie mich das nehmen“, sagte Nick und half Tully, sich den Laptopriemen von der Schulter zu streifen. „Bezirksstaatsanwalt Richardson ist noch im Gericht, also müssen Sie mit mir vorlieb nehmen. Ich begleite Sie hinauf. Da können wir Ihr Gepäck sicher unterbringen. Vielleicht sollten wir den Aufzug nehmen. Er führte sie durch die Lobby zu den Fahrstühlen und betätigte den Knopf für aufwärts. „Wie war Ihr Flug?“
„Eigentlich gut“, erwiderte Gwen. Sie hasste Smalltalk. Aber bei Nick klang es so, als sei er aufrichtig interessiert, deshalb tat sie im den Gefallen. „Allerdings gab es kaum Bordservice, deshalb hoffe ich, dass Sie einen guten Kaffee für uns haben.“
„Auf der anderen Straßenseite ist ein ,Starbucks’. Ich schicke jemanden hinüber. Was hätten Sie gern?“
„Ein Mokka wäre schön.“ Sie lächelte Nick an, als er ihr die Fahrstuhltür aufhielt und sie sich an ihm vorbeiquetschte. Sie merkte, dass Tully sie stirnrunzelnd beobachtete, und wusste genau, was er dachte. Ihr schamloses Flirten widerte ihn offenbar an. Na wenn schon. Das Mindeste, was bei dieser Reise herausspringen sollte, war eine gute Tasse Kaffee.
„Wie steht’s mit Ihnen, Agent Tully?“
„Normaler Kaffee reicht mir“, sagte er, dass es fast wie ein Brummen klang.
Gwen sah, wie er sich in die entlegenste Ecke der Fahrstuhlkabine drückte, den Blick auf die Nummern über der Tür geheftet. Was war aus dem höflichen Pfadfinder geworden? Sie tat es ihm gleich und beobachtete, wie die Nummern pro Stockwerk aufleuchteten, da ihr die Spannung zwischen den Männern unbehaglich war und sie sich irgendwie dafür verantwortlich fühlte.
„Wie geht es Maggie?“ fragte Morrelli, ohne den Blick von den Nummern über der Tür zu nehmen.
„Gut.“ Gwen wartete, dass er weiterfragte, doch das tat er nicht. Vielleicht war es ihm unangenehm, da Agent Tully schmollend daneben stand. Sie streifte Tully mit einem Seitenblick und fragte sich, ob er über Maggie und Nick im Bilde war. Andererseits, was gab es da großartig zu wissen, da Maggie selbst nicht zu wissen schien, was sie mit dem gut aussehenden stellvertretenden Bezirksstaatsanwalt anfangen sollte.
Da Nick in Boston lebte und Maggie in Newburgh Heights, Virginia, hatten die zwei kaum Gelegenheit, Zeit miteinander zu verbringen. Sie hatten sich seit Monaten nicht gesehen, und Maggie hatte ihn seit Monaten nicht erwähnt. Gwen wunderte sich, dass Maggie ihr keine Grüße oder eine Nachricht für ihn mitgegeben hatte, da sie doch wusste, dass sie ihn heute sehen würde.
Dass sich Maggies Scheidung von Greg hinzog und sie die Beziehung zu Nick so lange nicht weiterentwickeln wollte, oder wie sie es ausdrückte: „verhindern wollte, dass es kompliziert wurde“, war Gwen klar. Aber es steckte noch mehr dahinter. Maggie hatte Probleme mit Intimität, weigerte sich aber, das einzusehen. Sie nannte es professionelle Distanz und benutzte ihren Beruf als Vorwand, niemand an sich herabzulassen.
„Er hatte nur einen Besucher, seit er hier ist“, erklärte Nick ihnen. Gwen lenkte ihre Gedanken wieder auf den Zweck der Reise. „Er hat sich geweigert, mit seinem offiziellen Verteidiger zu reden, und hat nicht mal den ihm zustehenden Telefonanruf gemacht.“
„Wer war der Besucher?“ fragte Tully.
„Ich weiß nicht genau. Bezirksstaatsanwalt Richardson hat sich persönlich des Falles angenommen. Mich hat man erst jetzt hinzugezogen, ich kenne also noch nicht alle Details. Ich glaube, der Junge, der Besucher, gab sich als Collegefreund von Pratt aus.“
Die Fahrstuhltüren öffneten sich, und Nick hielt sie abermals auf, damit Gwen vorbeigehen konnte. Tully wartete noch einen Moment, in die Ecke der Kabine gelehnt, als brauche er niemandes Hilfe, und folgte ihnen dann mit Abstand, während Nick sie die belebten Korridore entlangführte. Gwen
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