Magic Cleaning
Taktik ist von kurzer Dauer. Kaum erstrahlt das Zimmer in neuer Frische, ist man umso mehr gezwungen, seinen Gefühlen ins Auge zu sehen. Die Atmosphäre ist nun rein und geläutert – und der Moment wäre ideal, um sich das zugrundeliegende Problem bewusstzumachen. Vielleicht finden sich auch schon erste Lösungsansätze. Auf das Chaos im Zimmer kann man seine Energien nun jedenfalls nicht mehr richten, so viel steht fest.
Sobald man anfängt aufzuräumen, kommt Bewegung ins Leben. Jedes aufgeräumte Zimmer ist wie ein Neustart. Deshalb ist es gut, das Aufräumen zügig über die Bühne zu bringen und sich dann den Problemen zu widmen, die man wirklich zu lösen hat. Das Aufräumen ist nur eine Methode, kein Selbstzweck. Glauben Sie nicht auch, dass der wahre Sinn darin liegt, darüber zu entscheiden, wie man nach dem Aufräumen sein Leben führen möchte?
Aus den Augen, aus dem Sinn
W as fällt Ihnen als Erstes ein, wenn Sie ans Aufräumen denken? Die Antwort auf diese Frage lautet doch häufig: «Ich weiß nicht, wo ich das am besten unterbringe.» Oder: «Das sperrige Teil ist schwer zu verstauen.» Oft sehen mich meine Klienten und Klientinnen hilflos an. «Haben Sie eine Idee, wie man das aufbewahren muss?» «Bitte sagen Sie mir, wie ich das lagern muss.» Ich verstehe den Wunsch nach entsprechenden Tipps, aber der Lösung des eigentlichen Problems kommt man damit keinen Schritt näher.
Im Wörtern wie «unterbringen», «verstauen», «aufbewahren» und «lagern» steckt der Teufel. Sie tauchen besonders gern in verheißungsvollen Überschriften auf wie «Ordnung sofort – Geheimtipps für das Unterbringen von Dingen aller Art», «Super-Boxen für sicheres Verstauen», «Lagerhaltung leicht gemacht» oder «Abc des richtigen Aufbewahrens». Hier wird suggeriert, dass Chaos-Beseitigung mühelos möglich sei, man müsse nur wissen, wohin mit dem ganzen Plunder. Und da der Mensch es sich nicht gerne schwermacht, greift er bereitwillig zu den «praktischen» Utensilien, durch welche die Unordnung in null Komma nichts zum Verschwinden gebracht wird.
Ich erinnere mich noch, wie ich mich als Kind und Jugendliche von diesem Märchen des Verstauens verführen ließ. Kaum hatte ich das Utensilien-Sonderheft der « ESSE », jener Frauenzeitschrift, die damals zu meiner Stammlektüre gehörte, verschlungen, ging ich an die Umsetzung der Tipps. Aus leeren Taschentuchschachteln bastelte ich Schubladen. Außerdem sparte ich mein Taschengeld und kaufte die im Heft vorgestellten Produkte, um sie auszuprobieren. Auf dem Heimweg von der Schule ging ich im Kaufhaus vorbei und sah nach, was es an neuen Plastikboxen gab. Während meiner Oberschulzeit rief ich auch schon mal bei Firmen an, die interessante Kisten, Kästen und sonstige Helfer herstellten. Ich brachte dann regelmäßig die Damen in der Telefonzentrale ins Schwitzen, weil ich endlose Fragen zu den einzelnen Modellen stellte. Meist schickten die Firmen mir dann Warenmuster zu. Ich legte meine Sachen hinein und sprach ein Dankgebet für die doch so bequem gewordene Welt.
Auch wenn ich früher selber der Versuchung erlegen bin – heute weiß ich, dass Aufbewahrungssysteme, egal welcher Art, sinnlos sind. Warum? Weil das Verstauen nicht mehr ist als eine schnelle Lösung nach dem Motto «Aus den Augen, aus dem Sinn». Dies dämmerte mir, als mein Zimmer mehr und mehr mit solchen Systemen vollgestellt war und es fast kein Durchkommen mehr gab. Zeitschriftensammler auf dem Boden, verschiedenfarbige Kisten mit Büchern und jede Menge Trenneinsätze in den Schubladen. Trotzdem herrschte weiterhin Chaos. Es war zum Verzweifeln. Warum schaffe ich keine Ordnung, obwohl ich die Dinge doch verstaue? Als ich mir eines Tages noch einmal die Dinge ansah, die ich da verstaut hatte, wurde mir etwas ganz Wichtiges klar: Den Inhalt all der Kisten, Boxen und Schubladen brauchte ich in Wirklichkeit gar nicht. Das heißt, ich hatte nicht aufgeräumt, sondern nur Dinge in irgendwelche Behältnisse gestopft und so dafür gesorgt, dass ich sie nicht mehr ständig sehen musste.
Durch das Verstauen gaukelt man sich selber vor, dass man das Problem des Aufräumens auf einen Schlag gelöst habe. Doch der Teufelskreis ist vorprogrammiert. Denn sobald der Stauraum voll ist, wird sich im Zimmer unweigerlich wieder neue Unordnung ausbreiten. Also sucht man sich weitere Verstauungslösungen. Bis auch diese überquellen. Deshalb beginnt das Aufräumen immer mit dem Wegwerfen von Dingen. Das
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