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Magic Cottage

Magic Cottage

Titel: Magic Cottage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Herbert
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daß ihre Mutter über lange Zeiträume hinweg furchtbare Qualen auszustehen hatte; und doch galt ihre ganze Hinwendung dem Wohlergehen des Mannes und der Tochter. Sie machte sich Vorwürfe, weil sie ihnen eine solche Last war, weil sie ihnen ihr Leben verdarb — oder behinderte — und besonders das ihrer jungen Tochter, die kaum mehr genügend Zeit fand, ihr bemerkenswertes künstlerisches Talent weiter zu entwickeln. Aber Midge und deren Vater waren bereit, jedes Opfer zu bringen, um ihr Leben erträglich zu machen; und sie kamen ziemlich gut klar miteinander.
    Bis Midges Vater bei einem tragischen Autounfall schwer verletzt wurde.
    Sein Schädel war zerschmettert worden, aber es dauerte fünf grauenhafte Tage, bis er starb. In den wenigen klaren Augenblicken während dieser Zeit hatte seine Hauptsorge ausschließlich Midge und deren Mutter gegolten.
    Sein Tod, so schien es, überstieg die letzten Kraftreserven seiner Frau und ließ sie zusammenbrechen (und damit auch jene Geisteshaltung, die es ihr ermöglicht hatte, selbst den schlimmsten Auswüchsen der Krankheit zu trotzen). Im Verlauf der nächsten Tage verschlechterte sich ihr Zustand so rapide, daß sie nicht einmal imstande war, an der Beerdigung ihres Mannes teilzunehmen. Als Midge nach der Kirche allein nach Hause kam, war ihre Mutter tot. Sie hatte ihr Krankenbett verlassen und Saß angezogen in einem Lehnstuhl, eine gerahmte Fotografie ihres verstorbenen Mannes auf dem Schoß. Zu ihien Füßen lag ein leeres Tablettenröhrchen, daneben ein umgestoßenes Wasserglas. Eine durchsichtige Plastiktüte war über ihren Kopf gestülpt und um den Hals herum mit einem dicken Gummiband zusammengezogen.
    Sie hatte für Midge einen Zettel hinterlegt, auf dem sie ihre Tochter um Verzeihung bat und um Verständnis. Sie hatte dieses Leben nicht mehr länger ertragen können; mit dem Verlust ihres lieben Mannes, Midges Vater, war zu den körperlichen und seelischen Qualen ein weiterer — letzter — unerträglicher Schmerz gekommen. Und bliebe sie am Leben, hatte sie geschrieben, so doch nur auf Kosten ihrer Tochter. — Sie habe Midges junges Leben nicht beeinträchtigen, sie habe sie nicht binden, ihr nicht die Freiheit beschneiden wollen. Und sie bedauere, daß nun kein Elternteil mehr den künstlerischen Erfolg miterleben könne, den die geliebte Tochter zweifellos finden müsse, aber wenigstens werde sie dieses Talent nicht mehr länger behindern.
    Es war nur zu verständlich, weshalb Midge so empfänglich war für Mycrofts Schwindelversprechungen.
    Ihre Staffelei ragte düster im Halbdunkel auf; das Zeichenbrett war leicht schräggestellt, das Gemälde darauf befestigt. Ohne hinzusehen, wußte ich, daß das Mondlicht das Bild auf seine ganz eigene unheimliche Art und Weise beleuchtete, eine andere Struktur schuf, vielleicht eine weitere gespenstische Dimension. Ich war nicht neugierig genug, um nachzuschauen.
    Schwarze Konturen wischten über den Boden und schreckten mich auf, aber im nächsten Moment stellte ich fest, daß unsere Nachtfreunde oben ihre Schlafstätte verließen; ihre geflügelten Körper wirbelten durch den Abglanz des Mondes, und ihre Schatten tanzten im Raum. Nachdem ich das Brot gegessen hatte, erhob ich mich — das Milchglas in der Hand — und schlenderte zu einem der hohen Fenster hinüber. Um die Staffelei machte ich einen weiten Bogen, und ich vermied es sorgfältig, auf das Gemälde hinunterzusehen.
    Die Landschaft draußen war in jene besondere Helligkeit getaucht, die nichts mit Wärme zu tun hatte, dafür aber eine ganze Menge mit Eis und Kälte. Das Gras war so farblos, daß es eine frostige Fläche zu sein schien, und die Schatten unter einzelnen Büschen und Bäumen waren so tief, daß sie pechschwarzen Abgründen glichen. Das Dach des Waldes trug einen narbigen, silbergrauen Panzer, eine undurchdringliche Schicht bleicher Dunkelheit.
    Ich nippte an der Milch, und flüssige Kälte sickerte in mich hinein. Zögernd sah ich zu der dunklen Waldgrenze hinüber — auf der Suche nach etwas, das ich gar nicht finden wollte. Eine dort lauernde Gestalt auszumachen wäre sowieso unmöglich gewesen, zu allgegenwärtig waren die Schatten; trotzdem — dieses Wissen hielt mich nicht davon ab hinzustarren, und es verhinderte nicht einmal den Seufzer der Erleichterung, als ich tatsächlich nichts entdeckte.
    Allerdings war ich mit meiner Erleichterung zu vorschnell.
    Plötzlich wurde ich auf etwas aufmerksam, das auf halbem Weg zwischen Wald

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