Magical Village 1 Zimt und Zauber
bisschen unheimlich. Da wünschst du dir jemanden, der dich liebt und braucht, und – simsalabim! – schon ruft Dad an und sagt dir genau das.«
»Reiner Zufall«, versicherte Mitzi. »Und du weißt doch, dass Dad regelmäßig sentimental wird, wenn man ihn länger als zwanzig Minuten allein lässt. Aber es war toll, oder? Vor allem für dich, nachdem der umwerfende Shay nebenan eingezogen ist.«
Lulu richtete sich auf und öffnete die Hintertür. »Ja, da habe ich es wesentlich besser getroffen als die arme alte Doll, die jetzt Bretts amouröse Avancen über sich ergehen lassen muss, das steht fest. Allerdings habe ich Shay seit Freitag nicht mehr gesehen. Wahrscheinlich war er nur ein Konstrukt meiner überhitzten Fantasie.«
»Meinst du vielleicht Produkt?«
»Nach diesem Wünsch-dir-was-Auflauf weiß ich ganz genau, was ich meine.« Lulu grinste. »Okay, ich muss los. Ach, Mist, es regnet. Da werde ich ja patschnass an der Bushaltestelle.«
»Hmmm – über so was muss ich mir wenigstens nicht mehr den Kopf zerbrechen. Keine nassen Montagmorgen mehr, an denen ich klitschnass ins Büro komme und in der Mittagspause noch nasser werde. Ich glaube, ich verbringe den Tag ganz gemütlich am Kamin und organisiere mein
erstes Fitte-Fünfziger-Treffen im Gemeindesaal – ach, und vielleicht plane ich auch meine nächste kulinarische Überraschung.«
»So was von gemein.« Lulu verzog das Gesicht, während sie in dem Durcheinander neben der Hintertür nach einem brauchbaren Regenschirm suchte.
»Ach, ich glaube, die Fitten Fünfziger freuen sich sogar auf das erste Treffen, und meine Kochkünste waren auch nicht so übel.«
»Ich meine weder deine Kochkünste noch die Fitten Fünfziger.« Lulu blickte entnervt auf das Sammelsurium von Regenschirmen mit Rissen im Stoff und verbogenen Speichen. »Es geht mehr um das gemütliche Zuhausesitzen am Kamin … Ach, was soll’s – ich laufe schnell zur Zahnarztpraxis und frage Doll, ob sie mich nach Winterbrook fahren kann. Das geht viel schneller als mit dem Bus oder wenn ich darauf warte, bis du angezogen bist und dich erbietest.« Sie grinste. »Außerdem erfahre ich so endlich, was in der Liebesnacht passiert ist. Tschüss!«
Doll war es seit Jahren gewohnt, dass Lulu bei schlechtem Wetter Fahrdienste bei ihr herauszuschinden versuchte, was regelmäßig zu schwesterlichen Auseinandersetzungen darüber führte, dass Lulu endlich den Führerschein machen solle. Lulu war siebenmal durchgefallen und hätte sich, selbst wenn sie einen Führerschein gehabt hätte, kein Auto leisten können. Außerdem war sie ja fast eine Art Umweltschützerin und wollte eigentlich nicht zur Luftverschmutzung beitragen, obwohl sie das Gefühl hatte, dass das oft als Argument gegen sie verwendet wurde.
Der Regen war unangenehm fein und dicht. Bis sie an der Praxis ankam, hatte Lulu nasse Füße, der Saum ihres langen
Rocks war durchweicht, ihr Afghanenmantel verströmte einen noch strengeren Geruch als sonst, und von den Enden ihrer perlengeschmückten Zöpfe fielen unaufhörlich die Tropfen.
»Nasse-Ratten-Alarm!«, rief Viv, die Empfangsdame, fröhlich, ohne vom Bildschirm aufzusehen. »Mensch, Lu, dein Mantel stinkt ja echt zum Himmel! Wenn du dich zu den anderen Pennern vor Patsy’s Pantry stellst, verdienst du ein Vermögen.«
»Ah, sehr witzig.«
Lulu patschte auf die Reihe graugesichtiger Patienten zu, die sich in der entferntesten Ecke zusammengedrängt hatten und denen deutlich anzusehen war, wie wenig ihnen die Aussicht auf eine Zahnbehandlung an einem düsteren, grauen Oktobermorgen behagte. Nass, wie sie war, klemmte sich Lu auf die Kante eines unbequemen Stuhls und fragte sich, warum Zahnärzte eigentlich immer schreckliche Möbel, grelle Neonleuchten und Empfangsdamen wie Viv hatten. Wollten sie den Leuten damit suggerieren, dass alles nur besser werden konnte?
Sie nahm sich ein Exemplar von My Weekly und schüttelte sich die durchweichten Zöpfe aus dem Gesicht. »Ist Doll schon da?«
Viv sah nicht von ihrem Bildschirm auf. »Schon ewig. Sie und Dr. J haben in aller Frühe mit einem Weisheitszahn angefangen. Danach hat sie Zeit, bis gegen zehn der neue Zahnarzt kommt. Ich sage ihr Bescheid, dass du hier bist.«
»Danke.« Lulu vertiefte sich wieder in die Zeitschrift. Sie las auch stets Mitzis Hefte, wenn sie eines in die Finger bekam. Es stand immer eine Menge Retrozeug über die Sechzigerjahre drin, und Lulu wäre nur zu gern ein echter Hippie gewesen.
Die Tür
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