Magical
teuer vorkamen – mein eigener Fernseher, den ich kaum benutzte, American-Girl-Puppen, für die ich eigentlich schon zu groß war, dazu ihre Häuser und Möbel, ein Ständer mit all meinen Ohrringen. Ich hatte sogar die Schranktür offen gelassen, deshalb konnte sie sehen, dass er bis zum Gehtnichtmehr mit Klamotten vollgestopft war.
Sie merkte es. »Wow, das ist ja wie im Einkaufszentrum da drin.«
»Ja.« Ich versuchte, die Tür zuzudrücken, aber sie weigerte sich und schwang zurück. »Ich muss dringend mal ausmisten. Da ist eine ganze Menge Zeug drin, das mir gar nicht passt.« Ich drückte noch einmal gegen die Tür, aber dann entdeckte ich eine Jeans der Marke True Religion, die Mutter letzten Monat für mich gekauft hatte. Größe: Winzig. Status: Nie getragen.
»Hey, willst du die?« Ich zeigte darauf. »Meine Mom hat sie zu klein gekauft. Sie sollte mich zum Abnehmen motivieren, aber …« Ich deutete auf meine Größe-sechsunddreißig-Hüften. »Hat wohl nicht geklappt.«
Lisette sah die Jeans an, als wäre sie mit einer Sprengladung versehen. »Bist du sicher?«
»Na logo. Die wird mir nie passen.«
»Wow, danke.« Sie nahm sie. »Aber du brauchst gar nicht abzunehmen. Du bist einfach athletisch gebaut.«
Weswegen ich auch über meine eigenen Füße stolpere, selbst wenn ich stillstehe.
Sie hielt die Jeans hoch und untersuchte die Nähte. »Bist du sicher, dass du sie nicht zurückgeben willst? Oder auf Ebay verkaufen?«
»Ich habe tonnenweise Zeug, das mir nicht passt – falls du etwas davon möchtest.« Ich hielt eine Hollister-Bluse hoch, die um die Brust herum zu eng gewesen war, als ich sie das letzte Mal angehabt hatte. »Möchtest du die haben?«
Sie grinste. »Wow, danke. Ich habe bisher nur davon gehört, dass Schwestern ihre Sachen tauschen.«
Danach fand ich immer mehr Sachen, Kleider, die noch neu waren, und solche, die mir gepasst hatten, aber inzwischen zu klein für mich waren. Ich unterdrückte den Neid, der in mir aufstieg, weil ich wusste, dass das alles an meiner schönen neuen Stiefschwester tausendmal besser aussehen würde, als es das je an mir getan hatte. Lisette hatte nichts. Das war das Mindeste, was ich für sie tun konnte. Außerdem wollte ich, dass sie mich mochte. Offensichtlich hatte ich sie allein aufgrund ihres Aussehens falsch eingeschätzt. Ich hasste doch auch, wenn Leute das mit mir machten, oder?
»Probier das hier mal an.« Ich hielt ihr ein Kleid der Marke Guess? hin. »Es wird so süß zu deinen Haaren aussehen.«
Doch Lisette schüttelte den Kopf. »Später. Ich werde für das Abendessen ein Outfit zusammenstellen. Wird unser Vater auch dabei sein?«
Unser Vater. »Er sollte gegen sechs hier sein.«
»Cool. Hey, hast du irgendwelchen Nagellack? Wir könnten uns gegenseitig die Zehennägel lackieren.«
Damit hatte sie mich. Eine echte Mädels-Angelegenheit – über giftigen Substanzen die Köpfe zusammenstecken. Und schneller als man Pyjamaparty-Outfit sagen konnte, hatte ich das Pediküre-Set ausgepackt, das meine Tante mir zu Weihnachten geschenkt hatte. Ich breitete zwölf Nagellackfläschchen auf meiner Panda-Bettwäsche von Animal Planet aus und hoffte, dass Lisette nicht merkte, wie kindisch und schwachsinnig sie war. »Welchen nehmen wir?«
Sie betrachtete sie eingehend, wie ein Künstler, der den richtigen Farbton auswählt. »Oh, ich weiß nicht. Wir sollten zueinander passen, findest du nicht?«
»Unbedingt! Ich meine, klar.« Ich wollte mich nicht für eine Farbe entscheiden. Ich würde sie eine auswählen lassen. »Nein, du!«
»Okay.« Ich nahm ein paar Fläschchen in die Hand. »Ich habe drei in der engeren Wahl. Such eine davon aus. So machen es meine Freundinnen und ich immer, wenn wir uns nicht einig werden.«
Ich verschwieg die Tatsache, dass ich mit diesen Freundinnen überhaupt keine Zeit mehr verbrachte, seit wir in der Mittelschule waren. Warum sollte ich Lisette nichteinfach in dem Glauben lassen, dass ich richtige Freundinnen hatte und nicht nur Leute, mit denen ich beim Mittagessen saß, die ich aber nie am Wochenende traf?
Lisette suchte sich den königsblauen Nagellack und den mit dem Silberglitzer aus. »Okay?«
»Als hättest du meine Gedanken gelesen.«
»Ich versuche es.«
Wir saßen da und streckten die Füße in das kleine, aufblasbare Fußbad, das zum Pediküre-Set gehörte. Sie sagte: »Erzähl mir doch mal was über meinen Vater.«
Ich zuckte die Schultern und rollte die Zehen ein. Es kam mir gerade so
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