Magical
innere Debatte mit mir, ob ich wieder nicken oder es abstreiten sollte. Schließlich sagte ich meine allerersten Worte zu meiner Stiefschwester.
»Na ja, in Mathe bin ich schlecht.«
»Echt? Mathe ist mein Lieblingsfach. Ich bin schlecht in Englisch. Vielleicht können wir uns gegenseitig helfen.« Dann breitete sie ihre Arme aus und sagte: »Oh, Emma, ich weiß einfach, dass wir wie richtige Schwestern sein werden.«
Und in diesem Augenblick wollte ich ihr wirklich glauben. Eine Schwester musste einen lieben, oder?
Ich führte Lisette hinauf in mein Zimmer. Ich hatte hin und her überlegt, ob ich das tun sollte, denn eigentlich waren es zwei Zimmer, eine Suite mit einem Badezimmer dazwischen. Zuerst hatte Dad vorgeschlagen, dass ich eines der Zimmer an Lisette abgebe, aber Mutter hatte ein Veto eingelegt. »Schlimm genug, dass sie ihr Leben mit einer Fremden teilen muss, da muss sie nicht auch noch das Bad mit ihr teilen.«
Schließlich hatten sie beschlossen, dass Lisette das Gästebad unten neben dem Wäschezimmer nehmen sollte. Mutter nannte es das Gästezimmer, auch wenn wir nie Gäste hatten.
Das hatte nach einer guten Idee geklungen, doch als ichLisette half, ihren Müllsack durch die Haustür zu ziehen, dachte ich, dass es vielleicht doch lustig gewesen wäre, mit ihr zusammen zu wohnen. Ich erinnerte mich an Pyjamapartys mit Courtney, bei denen wir Zelte aufgeschlagen und Weingummis gegessen hatten. Das war, bevor sie in der sechsten Klasse cool geworden war und mich fallen gelassen hatte. Ich war kurz davor, Lisette anzubieten, mein Zimmer mit ihr zu teilen und die Tatsache zu ignorieren, dass Mutter komplett durchdrehen würde, wenn ich das täte (aber vielleicht wäre das gar nicht mal so schlimm), doch dann erreichten wir die Tür von Lisettes Zimmer. Sie schnappte nach Luft.
»Ist das … teilen wir uns das Zimmer?«
Es gab ein Bett in dem Zimmer, das fast die Hälfte des Platzes einnahm. Ich sagte: »Nein, das ist dein Zimmer.«
Sie ließ ihren Koffer fallen und machte dann zuerst einen und dann einen zweiten Schritt hinein. »Es ist sehr schön. Ich hatte noch nie ein Zimmer für mich allein.«
»Aber du bist doch Einzelkind.«
Sie nickte. »Aber Mom …« Sie verstummte, ihr Blick wanderte zu ihren Füßen und dann wieder zurück. »Wir hatten nur ein Schlafzimmer, deshalb haben wir es uns geteilt. Am Ende war sie dann so krank, dass ich auf dem Schlafsofa im Wohnzimmer übernachtet habe. Aber dieses Zimmer ist total schön. Du hast großes Glück, hier zu wohnen, Emma.«
Ich konnte ihr nicht in die Augen schauen. Ich hatteGlück, weil meine Mutter ihren Vater und damit auch all sein Geld gestohlen hatte. Aber offensichtlich war Lisette zu nett, um das zu merken. Jetzt warf sie sich aufs Bett, ihr Gesicht versank in den Kissen, die alt waren, weil Mutter sie von anderen Betten genommen hatte.
Ich wartete einen Augenblick, dann sagte ich: »Soll ich dir helfen, deine Sachen aufzuräumen?«
Es dauerte nicht lang. Ihre Kleider füllten den kleinen Schrank nur halb und sie benötigte nur eine einzige Schublade. Sie hatte keine Bücher, keine Puppen, schon gar nicht etwas so Teueres wie einen Laptop, nur ein paar Stofftiere, Schulhefte und ein gerahmtes Foto von einer zerbrechlich aussehenden blonden Frau, ihrer Mutter. Das Foto stellte sie auf den Nachttisch. Sie hatte keine Fotos von Freunden, auch keine Jahrbücher. Ich hatte mehr dabei, wenn ich nur ins Ferienlager fuhr.
Als wir fertig waren, bot ich ihr an, sie herumzuführen. An jeder Tür bekam sie große Augen. »Wow. Meine Mutter hat immer gesagt, dass mein Vater reich sei, aber das hier hätte ich nicht für möglich gehalten.«
Durch ihre Worte fühlte ich mich, als hätte ich mir eine Woche lang die Zähne nicht geputzt. Wir waren nicht reich. Unser Haus war für diesen Stadtteil ziemlich durchschnittlich und ich ging auf eine öffentliche Schule. Wir waren schließlich nicht die Rockefellers oder so. Doch ich sah, wie sie den Flachbildfernseher, den Pool und den Whirlpool anschaute. Mir fiel wieder ein, dass sie gesagt hatte, sie habe sich mit ihrer Mutter ein Zimmer geteilt. Nur arme Leutemachten so etwas. Hatte mein Vater keinen Unterhalt gezahlt?
Als wir zu meinem Zimmer kamen, wäre ich am liebsten gar nicht hineingegangen. Aber Lisette sagte: »Das ist also dein Zimmer?«, und ich musste zugeben, dass es so war. Ich sah das Zimmer, wie es Lisette sehen musste: angefüllt mit Dingen, die mir plötzlich überflüssig und
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