Magical
habe ich auch mit Emma Mitleid. Sie wird Warner wohl nicht so bald abbekommen. Nein, nein, sie sitzt da und liest ihre Bücher, während Lisette – die böse Lisette – den ganzen Spaß hat.
Es wäre leicht, Lisette in einen Frosch zu verwandeln, aber natürlich hätte dies … Folgen. Ich habe so etwas schon einmal gemacht, ich habe einen Jungen in eine Bestie verwandelt, nachdem er mich erzürnt hatte. Er hatte sich eines Tages unbeliebt bei mir gemacht und … ich habe ihm einen Pelzmantel verpasst. Und Krallen. Ich habe ihn mit einem Fluch belegt und ihm zwei Jahre Zeit gegeben, wahre Liebe zu finden, um ihn zu brechen. Glücklicherweise hat er Stillschweigen bewahrt, aber damit kann normalerweise nicht gerechnet werden. Nein, nein, in der heutigen Gesellschaft mit Gerichtsverfahren und Reality- TV ist es wahrscheinlicher, dass die Leute ihr Ungemach von den Dächern trompeten, anstatt sich in einem Keller zu verstecken.
Nein, wenn ich Emma helfen möchte, dann muss ich diskret vorgehen. Aber wie?
Ah, na ja, ich werde darüber nachdenken, solange Emma ihre Geschichte weiter erzählt.
Z wei Jahre vergingen. In dieser Zeit veränderte sich alles, besonders meine Beziehung zu meinem Vater. Im Grunde hatte ich keinen mehr. Nach jener Nacht im Oktober – und auf Lisettes Anweisungen hin – war ich zu beschäftigt, um Jeopardy anzuschauen oder Segeln zu gehen. Zu beschäftigt für alles. Ich dachte, das würde Daddy nichts ausmachen. Immerhin hatte er jetzt Lisette, seine richtige Tochter. Doch zu meiner Überraschung machte es ihm etwas aus. Manchmal sah er mich an, als würde er sich fragen, was er getan hatte, um mich wegzustoßen, warum ich ihn hasste. Das zerriss mir das Herz, denn meinen Vater hatte ich immer am meisten geliebt. Jetzt hatte ich nur noch Mutter.
Ich dachte daran, mit Daddy ins Reine zu kommen, ihm die Wahrheit über den Kürbis zu erzählen, über Lisettes Erpressung, vor allem ein paar Monate später. Da kam es mir nur noch kindisch und schwach vor. Ich hatte einen Kürbis zertrümmert, na und? Wahrscheinlich wäre er nicht einmal böse gewesen.
Aber die Sache war, dass ich wusste, er würde mir in Bezug auf Lisette keinen Glauben schenken, genauso wenig wie er mir wegen der Ohrringe geglaubt hatte. Er und alle anderen glaubten, sie wäre dieses süße, kleine Ding, das keiner Fliege etwas zuleide tun konnte – die arme, tragische Lisette. Und so wahrte ich ihr Geheimnis, weil ich wusste, wenn ich es nicht täte, würde ich diejenige sein, die schlecht dastünde. Außerdem wollte ich Daddy nicht noch mehr wehtun, als ich es ohnehin schon getan hatte.
Die ganze Sache erinnerte mich an ein Märchen. In Geschichten wie Aschenputtel oder Die Schöne und das Biest heißt es immer, die Heldin sei so gut, wie sie schön war . Ich fragte mich, ob die Leute einfach wollten, dass das stimmte, ob sie wollten, dass die Schönen gut waren. Ich fragte mich, ob sie wollten, dass die Hässlichen schlecht waren, weil sie dann kein Mitleid mit ihnen haben mussten.
Ich erzählte es Mutter. Alles. Ansonsten hätte sie weiterhin herumgenörgelt, ich solle mehr Zeit mit Daddy verbringen. Sie glaubte mir natürlich. Sie hatte von Anfang an Lisettes wahres Gesicht erkannt, das Gesicht, das unter ihrer schönen Hülle verborgen war. Nachdem ich ihr alles erzählt hatte, scheute sie keine Mühe, ebenfalls nett zu Lisette zu sein, um Daddy glücklich zu machen. Um ihn zu halten. Lisette hatte in dieser Hinsicht recht gehabt. Meine Mutter hätte niemals riskiert, dass er Lisette uns vorzog.
Jetzt hatte Lisette also das größere Zimmer, den schöneren Computer und all meine ehemaligen Freundinnen.
Ich hatte nur Kendra. Kendra war meine neue beste Freundin, und allein sie schien zu erkennen, wie Lisette wirklich war.
Eines Tages, kurz nach besagter Nacht, sang Lisette das Solo im Chor, und Kendra beugte sich zu mir herüber. »Du hasst sie, nicht wahr?«
»Was?« Lisette stand vorne, ihr blondes Haar fiel wallend über ihre Schultern und sie sang wie ein Engel. »Ich dachte gerade über dieses Lied nach.«
»Klar. Wenn deine Augen Laserkanonen wären, dann wäre das Mädchen tot.«
»Wer?« Aber ich wusste es.
»Deine … Schwester. Du kannst sie nicht ausstehen. Du hast darüber nachgedacht, was ich auf dem Westerntag gesagt habe, und dir ist klar geworden, dass ich recht habe.«
Miss Hakes deutete auf uns und gab uns zu verstehen, dass wir aufhören sollten zu reden. Lisette beendete ihr Solo. Miss
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