Magie der Schatten 1 - Barshim und Cashi
sein. Wieso tat sie das? Und vor allem: Wie tat sie es? Dem Magistratero verursachte allerdings am meisten Kopfschmerzen, dass es verboten war. Das war auch der Grund, warum er langsam in Panik geriet. Cashimaés eigentliche Aufgabe war es gewesen, eine Verbindung zu dem Element Wasser herzustellen. Nicht darin einzugreifen. Tamin sah, wie um ihn herum Eiskristalle zu wachsen begannen. Wie sie sich von Blatt zu Blatt fraßen und einen Ring um sie bildeten. Die ersten Blätter und der erste Staub, der sich vom Boden erhob und sich um sie herum bewegte.
Die Ankunft eines Shalas. Ein Schatten. Uralte Wächter der Magie. Kein Geist, kein Körper, keine Gedanken. Sie waren die Begleiter der Natur und existierten schon Tausende von Jahren.
Sie waren die stummen Wachen der Elemente, seit damals die Magier mit Hilfe der Magie und aus Machtgier diese missbrauchten, um Menschen und das eigene Volk zu vernichten. Damals, so stand es in den Schriften, sandte die Natur die Wächter aus. Seitdem kamen sie, um den Magier zu vernichten, der es wagte, mit vollem Bewusstsein in die Natur einzugreifen oder andere mit Hilfe von Magie zu verletzen.
Wie sollte er Cashimaé aus dieser tiefen Trance zurückholen, ohne sie bei den Schultern zu packen und durchzuschütteln? Es wäre ein Schock, bei dem sich ihr Geist auf dem Weg zurück in ihren Körper verlieren konnte.
»Cashim, Breda*, bitte komm zurück«, flehte er nun laut.
Die Eiskristalle breiteten sich auf dem Boden aus. Der Mond nahm eine milchige Trübung an. Tamins Brust fühlte sich an, als würde man ihm alle Luft aus der Lunge pressen. Ein Gefühl von Eingesperrtsein, Leere und Düsternis. Das Schlimmste, was einem Magier passieren konnte. Verschwinden im Nichts. Genau dorthin würden die Shalas ihre Seelen bringen. Vor 30 Jahren, erzählte man, brachen sie wie ein Krebsgeschwür über Comoérta und ließen nichts als den Tod zurück. Nie zuvor war es so schlimm gewesen, doch seitdem griffen sie schneller ein und keiner konnte sagen warum.
Warum tat Cashimaé das nur? Hatte sie seine Anweisungen, unbedingt genau diese Kapitel zu lesen, wieder mal missachtet?
Tamin war Mitglied des Kreises und verlor gerade die Kontrolle über seine Schülerin. Man würde ihn zur Rechenschaft ziehen. Er musste handeln. Dunkelheit und Kälte wurden unerträglich, ein Heulen erhob sich über die Klippen. Es blieb ihm keine Wahl.
Tamin trat hinter Cashimaé, die immer noch bewegungslos auf den Klippen saß, und fiel auf die Knie. Er hob die Hände und legte die Finger an ihre Schläfen.
»Verzeih, aber nicht zu diesem Preis!« Damit senkte er den Kopf und schloss die Augen. Im nächsten Moment schrie Cashimaé auf und fuhr zusammen wie vom Blitz getroffen. Ihre Hände schossen nach oben und krallten sich in seine Handgelenke.
»Tamin!«
Das Vakuum verschwand und die Wassermassen stürzten in ihren Geist. Es geschah so schnell, dass sie keine Möglichkeit hatte, sich zurückzuziehen. Die Stimmen flüchteten und sie hatte das Gefühl zu ersticken. Es tat weh. Was vorher ein sanfte Kühle, verwandelte sich jetzt in ihr zu Feuerspeeren aus glühenden Kohlen, die ihren Kopf malträtierten und einen Sog um ihr geistiges Gut schlossen. Eiserne Fesseln des Wahnsinns. Im letzten Moment fand sie den Weg zurück zur Oberfläche ihres Geistes, rang nach Luft und brach dann in sich zusammen.
Sie fiel gegen Tamin, der sie auffing und festhielt. Er versuchte, seinen eigenen Puls wieder zu beruhigen und einen Schutz um sie herum aufzubauen.
»Bitte geht zurück, bitte. Sie ist nur eine Schülerin«, flehte er leise mit geschlossenen Augen. Das Gesicht im braunen Haar des Mädchens vergraben. Der Staub und das Heulen in der Luft ließen nach. Einen Atemzug lang leuchteten darin ein paar dunkelrote Augen, ehe sie zerfielen und der Staub zurück zur Erde kehrte. Die Shalas hatten sich zurückgezogen.
Der Magier fühlte wie der Druck von seinem Körper wich und wagte es, seine Umgebung wieder wahrzunehmen. Erst jetzt bemerkte Tamin, dass er die ganze Zeit die Luft angehalten hatte. Kurz überprüfte er Cashimaés Körper, aber außer einer gewaltigen Überladung an Energien hatte sie keinen Schaden davon getragen und auch ihr Geist war im Wasser nicht verloren gegangen.
Er musterte still ihre sanften Gesichtszüge und strich ihr eine Strähne aus dem Gesicht. Seine Fingerspitze strich über die hohe geschwungene Augenbraue und glitt bis zu ihrem Halsansatz hinunter. Ihre Brust hob und senkte sich in
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