Magie der Schatten 1 - Barshim und Cashi
Machtgier? Vielleicht irrte er sich auch in allen Punkten?
Shorbo begriff, dass er sich erst vergewissern musste, ehe er alte Pfade wieder offen legte. Bis dahin musste er sich selber zum Schweigen verdammen. Langsam öffnete er seine linke Hand und betrachtete die kaum sichtbaren Linien darin. Ein Kreis und ein Dreieck. »Ich darf nicht wecken, was nicht sicher ist.« Damit ballte er sie wieder zusammen. Und sein Kinn legte sich müde gegen seine Brust.
»Wenn ich mich irre und Tamin vernichte, zerstöre ich die Waage des Lebens und der Tod wird ohne das Leben über die Alte Welt kommen. Lass die Vergangenheit noch schlafen, oh bitte, und lasse Tamin einfach nur ein Mann ohne Herz sein, denn sonst werden unsere Nächte finster, wenn der Schüler die Position des Lehrers ergreifen will«, flüsterte er.
*
Tamin sah sich um. Ein graues Pferd stand an einen Pfahl gebunden und pflückte in aller Seelenruhe die Blüten von den Wiesenpflanzen. Gerade in diesem Moment kam ein Mann um das Haus herum. Er trug einen schwarzen, weiten Mantel mit Kapuze, doch als er Tamin erblickte, zog er sie vom Kopf.
»Ich dachte schon, es wäre niemand da«, sprach der Unbekannte.
»Wer seid Ihr?«
»Wie höflich«, erwiderte der eindeutig jüngere mit einem schelmischen Grinsen. »Dort, wo ich normal reise, wäre erst die Geldbörse verschwunden, ehe es zum braven Geplänkel kommt.«
Er mochte um die 17 Jahre alt sein, schätzte Tamin, es sei denn, er hatte bereits den Bann der Zeit abgelegt. Seine Gesichtszüge, von weichen Linien eines Jungen durchzogen, ließen aber bereits die ersten kantigen Züge eines Mannes erahnen. Sein braunes Haar trug er kurz. Der nach vorne offene Mantel gewährte den Blick auf einen weiten Wams, den der Fremde trug, und einen durchtrainierten Oberkörper. An der Seite baumelte ein Schwert mit goldgrünem Griff und seine gesamte Kleidung ließ an einen Waldläufer denken.
Er fixierte Tamin mit einem spöttisch wirkenden schwarzen Augenpaar. Der Magier konnte die erdrückende Aura fühlen, die von dem Jungen ausging. Mit einer solchen Intensität, die ihn verwunderte. Tamin zögerte, war das etwa….« Barshim?«, rief er.
Heiterkeit auf Barshims Gesicht zeigte sich nun in Form eines Grinsens und doch grüßte er auf die alte Art, wie es einem Magier würdig war, indem er die Hände übereinander legte und sich kurz verbeugte. Tamin war gezwungen, den Gruß zu erwidern oder unhöflich zu sein. Also erwiderte er.
»Ja, man nennt mich Barshim oder der, der aus der Wildnis kam. Und ihr? Der, der in der Wildnis rumsteht?« Sein Grinsen wurde noch breiter.
Tamin runzelte die Stirn über den spaßigen Ton, der etwas an sich hatte, als würde man ausgelacht werden. Mit jedem Wort, das von Barshims dunkler Stimme ertönte, ging der Magistratero auf Abwehr und ein Gefühl von Verachtung wuchs in ihm. Ein kleiner Samen noch, der aber die ersten Wurzeln in seine Nerven grub. »Mein Name ist Tamin, ich bin circan mitiba Natriells und Testerias.«
»Ho, ho, ein Mitglied des Kreises.« Barshim wirbelte mit der rechten Hand durch die Luft, als wolle er einen Schmetterling fangen. Es sah ziemlich lächerlich aus, während er sich dabei verbeugte, plötzlich einen Satz in die Luft machte und aufrecht und mit zurück gezogenen Schultern stehen blieb. Augenblicklich wurde sein Ausdruck ernst. »Genug der höflichen Floskeln. Wo ist Shorbo und vor allem: Wo ist meine Cashimaé? Ich bin schon lange unterwegs und kann es kaum erwarten, sie zu begrüßen.«
Um seinen Worten Nachdruck zu verleihen, klopfte er auf seinen Mantel, wovon eine Menge Staub aufgewirbelt wurde. Hinter ihnen öffnete sich die Tür und Shorbo trat, schwer auf seinen Stab gestützt, heraus.
»Alter Mann!«, rief Barshim, rannte ihm entgegen, umarmte und herzte ihn. Shorbo war erst verwirrt und glaubte kaum, was er sah. Er hob eine Hand, als wolle er das Gesicht des Mannes berühren und hielt dann doch inne.
»Barshim?«
»Ja, wer denn sonst?«
Seine Fröhlichkeit war ansteckend. Shorbo schaffte es zu lächeln. Seine Freude, Barshim hier zu sehen, gerade zu diesem Zeitpunkt, war echt.
Für Sekunden runzelte der junge Mann die Stirn, als spüre er, dass etwas nicht in Ordnung war.
»Wo sind die Jahre hin?«, staunte Shorbo. »Ein richtiger Mann bist du geworden. Ist es wirklich drei Jahre her, als ich dich das letzte Mal mit Filyma in Comoérta gesehen habe?« Damit klopfte Shorbo gegen den muskulösen Arm.
»In meiner Heimat muss man schnell
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