Magie der Schatten 1 - Barshim und Cashi
Er betrachtete aufmerksam das Mienenspiel des Jungen. »Du bist ehrlich mein Freund. Doch Geduld ist mehr als eine Tugend, es ist die Erkenntnis, dass wir das Leben nicht überlisten können. Was denkst du, was du im Kreis finden wirst?« Shorbo erhob sich, und holte seine Pfeife vom Kaminsims.
Barshim folgte ihm. »Wissen, den Reichtum einer Gemeinschaft. Das Vermächtnis einer alten Geschichte.« Der Magier ballte vor Begeisterung die Hände zusammen, um die Kraft seines Satzes zu untermalen. Der Kreisführer hätte fast seine Pfeife beim Stopfen fallen gelassen.
Was war das nur für ein Tag, erst Tamin und jetzt Barshim. An Zufälle hatte er noch nie geglaubt. Er strich durch den langen weißen Bart. Barshim wurde von Begeisterung geleitet, nicht von Habgier, darin unterschied er sich deutlich von Tamin, doch das konnte ihn leicht zum Opfer von Tamin machen, denn der Magistratero war eine Koryphäe darin, solche Gefühle zu schüren und für sich selbst umzuleiten. Tamins Angriff hatte Misstrauen in seine alte Seele gestreut. Ihm lagen die Zukunft seines Mädchens und die des Landes zu sehr am Herzen.
»Du kannst dir sicher sein, alter Magier, die Shalas werden schon für Recht sorgen.« Es brauchte einige Sekunden, ehe es zu ihm durchdrang, was Barshim eben gesagt hatte. »Die Shalas?«
»Sie schützen die Alte Welt vor Recht und Unrecht und der Kreis ist dafür da, dies zu stärken. Das ist auch mein Weg.«
Treue Seele, dachte Shorbo. Barshim schritt zurück zum Tisch. Er warf einen kurzen Blick über die Schulter. Der Kreisführer fühlte sich ertappt, dass er Barshims Satz über das Wissen einer alten Geschichte einfach übergangen hatte. Obwohl kein Laut eines Vorwurfs kam, wusste er unausweichlich in seinem Inneren, dass es der junge Krieger bemerkt hatte.
*
Nach dem Essen spazierten Barshim und Cashimaé durch die Hügel. Die Sonne stand tief am Horizont und verwandelte das Land in einen Feuersturm aus Farben, in dem sie beide ein Teil waren. Schweigend lauschten sie dem Zirpen der Grillen. Gerade zu den Abendstunden, wenn alles leiser wurde, erklangen die Melodien der Natur umso intensiver und melodischer. Irgendwann suchte Barshim ihre Hand und als er sie sanft drückte, ließ sie es zu. Der Wind spielte mit ihrem Haar, während sie den Boden zu ihren Füßen betrachtete und kaum wagte aufzusehen. In ihr glomm das Licht der Sonne, heller als zum Mittag und das Rot ihrer Wangen zeichneten die Farben des Abends wider.
Im Wald, auf den alten Felsplatten, dort, wo sie als Kinder schon einmal gesessen hatten, ließen sie sich nieder.
»Barshim? Darf ich dich was fragen?«
Er lag auf dem Rücken, die Hände hinter dem Kopf verschränkt. »Ja, natürlich. Alles, was du magst.«
»Was genau sind die Shalas?«
Erst herrschte Ruhe, doch dann richtete er sich abrupt auf. »Was soll diese Frage? Du weißt es doch.«
»Was…? Nein, woher? In den Büchern wird nicht näher über sie berichtet, nur, dass es Wächter sind. Und Tamin weicht meinen Fragen ständig aus. Naja gut, ich seinen auch. Aber trotzdem, jeder scheint es genau zu wissen, aber keiner spricht darüber.« Sie vermied es, die Wahrheit zu sagen. Dass sie bis heute noch immer nicht alles gelernt hatte, was man ihr aufgetragen hatte.
»Tamin, so? Ist er dein Liebhaber?«, fragte Barshim, ein wenig kälter als beabsichtigt. Eine Falte zeichnete sich auf seiner Stirn ab.
Verwirrt starrte sie ihn an. »Mein was?«
»Ach, tu doch nicht so, du bist fast 18. Eine schöne Frau mit einer unglaublichen Ausstrahlung. Die Männer liegen dir sicher reihenweise zu Füßen und Tamin wird dir nicht ohne Grund so viel Zeit widmen. Du bist für ihn, was Männer um den Schlaf bringt. Warum, denkst du, nimmt er dieses Leben auf sich? Doch nicht wegen der Annehmlichkeiten, Cashimaé. Tamin ist ein Kreismitglied. Statt sich bedienen zu lassen, trägt er dir die Röcke nach. Shorbo ist dein Lehrer, nicht er.« Sie machte den Mund auf, um etwas zu erwidern, doch sie klappte ihn einfach wieder zu, da ihr die Worte fehlten.
»Hab ich recht?«, ergänzte Barshim.
»Hast du nicht!«
»Du lügst.«
Doch in ihrem Gesicht konnte man deutlich lesen, dass sie die Wahrheit sprach. Ein Gesicht, das von Unverständnis in unschuldigen Zorn wechselte. Wie sich die kleinen Hände zusammenballten und wieder öffneten. Ihr Körper angespannt, als wolle er jede Sekunde wie die Sehne eines Bogens nach vorne schnellen. Als Cashimaé begriff, auf was Barshim anspielte, wusste sie
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