Magie der Schatten 1 - Barshim und Cashi
brennt so hell, dass die Schatten, die du wirfst, früher oder später von ihr verbrannt würden. Ich sehe die Nacht in deinen Augen, Tamin.« Barshim beugte sich vor. »Ich kann sie riechen und schmecken.«
Erschrocken ließ der Blonde los und wich zurück. »Was meinst du?«
Barshims Zähne wurden sichtbar. »Ist es das, warum du sie willst? All diese Fragen in dir, Tamin. Dein Blut braucht die Kälte und liebt die Dunkelheit. Du wirst von Magie angezogen, wie die Motten vom Licht. Sie ist deine Sonne, ich werde dich aber nicht in ihr Licht lassen.« Damit drehte er sich um und schritt den Hang hinauf. Tamin starrte ihm nach. Die Fragen in ihm? Woher wusste Barshim davon? Das konnte doch nur Filyma erzählt haben. Er strich sich mit den Händen durchs Haar. Irgendwann würden die Fragen Antworten bekommen. Woher er kam. Wer er war. Und er nahm sich vor, dass niemand außer ihm dieses Mädchen besitzen dürfe.
Niemand!
»Spiel dich als ihr Wächter auf, Barshim! Es wird mir Freude bereiten, mit dir zu spielen.« Wut flammte durch seine Brust, die sich in einem finsteren Lächeln auf seinem Gesicht spiegelte, ehe er dem anderen schnellen Schrittes folgte. Hinter ihm wirbelte eine Staubfahne auf. Und Blätter, deren Ränder mit Eiskristallen besetzt waren, um im nächsten Moment vom warmen Wind fortgetragen zu werden.
*
Der Tag der Abreise nach Comoérta rückte näher. An einem Spätsommertag begaben sie sich in den frühen Morgenstunden auf den Weg. Cashimaé hüpfte auf dem linken Fuß und versuchte in die Steigbügel zu kommen. Tamin zog einen letzten Riemen am Zaumzeug des Tieres fest. »Tamin, hilf mir doch bitte.«
»Wer mit den Großen spielen will, sollte das Bein heben können«, erklang seine unfreundliche Antwort.
Die Fingerknöchel traten weiß hervor, so fest umfasste Cashimaé die Zügel. Das passierte die letzte Zeit dauernd. Egal, wie höflich und freundlich sie sich gegenüber dem Magistratero benahm. Entweder er antwortete gar nicht oder hatte nur dumme Sprüche übrig. Voller Ärger erwischte sie endlich den Bügel und zog sich auf den Rücken des Tieres.
Cashimaé trug eine dünne Bluse mit weit ausladenden Ärmeln, darüber ein grünes knielanges Wams aus weichem Wildleder und eine braune Hose. Barshim hatte es ihr zwei Tage vorher extra für die Reise geschenkt. Um die Stirn trug Cashimaé ein dünnes Lederband, und sah damit aus, als wäre sie eine Halbelbin – wie Filyma. Sie wirkte bezaubernd, betörend und trotzdem wie eine Kriegerin, gefährlich.
Dem sprudelnden Übermut eines Bergbaches gleich, ritt Cashimaé mal hier hin und dorthin. Gab ihrer sandfarbenen Stute die Sporen, um über einen Hang zu jagen, ehe sie an der Seite wartete, bis alle an ihr vorbeigezogen waren. Das lange Haar zu kleinen Zöpfen geflochten flog durch den Wind, wenn die Hufe über den weichen Untergrund stoben. Die Wangen gerötet, die Augen strahlend wie kleine Spiegel, preschte das Mädchen an Barshim vorbei und zwinkerte ihm zu.
Der Magier schmunzelte über ihre Unbekümmertheit, dachte aber nicht daran, sie zu ermahnen und etwas ruhiger zu machen. Barshim war lebenserfahren genug, um zu wissen, dass man sie schon früh genug in ihre Schranken weisen würde. Das Leben bestand aus so vielen Regeln und gerade deswegen genoss er jetzt ihre Unbeschwertheit, die ihn ansteckte und mitriss. Wohl bemerkte er auch Tamins Blicke. Wobei er bei ihm nicht ganz sicher war, ob es sich um Missbilligung handelte oder ob das Kreismitglied einfach die Schönheit Cashimaés bewunderte. Und schön, bei allen Elementen, das war sie.
*
Die Pferde fanden sicher ihren Weg und Cashimaé mochte die Ruhe, die von ihnen ausging. Manchmal ließ sie sich in eine Art geistigen Rapport mit dem Ihrigen fallen und sah Dinge, die noch vor ihnen lagen und Dinge, die geschehen konnten.
Tamin und Barshim ritten nebeneinander und führten anregende Gespräche, aber sogar Cashimaé spürte die Rivalität zwischen ihnen. Tamin ignorierte sie auf dem gesamten Weg und wenn er mit ihr sprach, auf eine solch herablassende Art, dass sie gerne darauf verzichtet hätte. Cashimaé dachte an Barshims Worte zurück: Sah Tamin in ihr nicht mehr das kleine Mädchen, sondern die Frau, zu der sie geworden war? Bezog sich sein Interesse auf mehr als die schulische Ebene? Warum behandelte er sie dann ständig so grob und unfreundlich? Gerade die letzte Zeit fühlte sie sich in seiner Gegenwart wie sein Besitz und nicht wie eine Schülerin. Allein der
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