Magie der Schatten 1 - Barshim und Cashi
nicht zu reagieren. Wie konnte er ihr so etwas unterstellen?
In ihrer Verärgerung sah sie nicht das Funkeln in seinen Augen.
»Gib zu«, meinte Barshim, »du empfindest was für diesen aufgeblasenen Wichtigtuer. Tse, Gefühle, ich hätte dich stärker eingeschätzt. Das einzige, das ich dir zugutehalten kann, ist, dass du deine Röcke wenigstens für ein Kreismitglied gehoben hast.«
»Was fällt dir ein, mir solche infamen Dinge zu unterstellen!« Wütend schlug sie mit der flachen Hand auf den Boden. Er grinste von einem Ohr zum anderen und nun endlich sah sie auch den Schalk in seinen Augen.
»Oh … du … du …«
»Isgrin? Bento?«, vollendete er ihren Satz.
»Chrishka, argh… was immer!«
Er ignorierte es einfach. »Ernsthaft, Cashim. Warum stellst ausgerechnet du mir eine solche Frage? Ich habe viel angestellt, aber nicht einmal ich habe deine Erfahrung mit den Shalas gemacht. Du hast Glück, dass du noch da bist. Sie waren dir verdammt nahe, das kann ich spüren, sie hinterlassen Kälte auf der Haut.«
Ihr gerade noch verärgertes Gesicht nahm nun wieder etwas Verständnisloses an. »Hm«, meinte Barshim. »Du scheinst ja wirklich nichts davon zu wissen … darf ich?« Er beugte sich zu ihr, hob seine Hände und blickte sie fragend an. Cashimaé wusste, was er wollte. Es war ihnen möglich, in den Geist und die Erinnerungen des anderen zu sehen, ohne Erlaubnis des Jeweiligen. Es schüttelte sie heute noch bei dem Gedanken, als Tamin es einmal bei ihr getan hatte. Barshim hingegen vertraute sie und mochte ihn. Sie nickte, allein die Tatsache, dass er sie erst fragte, ließ ihr Herz einen Takt schneller schlagen.
»Du weißt, dass ich nichts mache, was nicht in deinem Einverständnis liegt.« Erneutes Nicken. Er legte die Finger an ihre Schläfen und schloss die Augen. Schnell breitete sich ein Kribbeln in ihrem Körper aus. Tamin war damals grob und schnell vorgegangen, Barshims jetzige Berührung des Geistes war wie ein lauer Wind an einem Sommermorgen, angenehm und sanft. Sie roch den Duft der Bäume viel intensiver, spürte, wie sich ihr Herzschlag dem seinen anpasste. Das Meer schien näher zu kommen, das leise Rauschen der Wellen, der Wind, alles wurde zu einem einzigen Moment. Sie konnte die Ruhe wieder fühlen, die leisen Stimmen. Und sie konnte es mit ihm teilen, mit Barshim. Alle Wege des Lebens kamen zusammen und fügten sich in ihr eigenes kleines Universum aus Zuneigung. Ließen Blätter langsamer fallen und Vögel auf der Stelle stehen. Auf einmal fühlte sie etwas Warmes und Weiches auf ihren Lippen. Sie öffnete die Augen. Hastig zog er sich zurück.
»Verzeih!« Doch Cashimaé wich nicht zurück. Sah ihn nur an. Barshims Augen registrierten die Umgebung. Das Licht, das durch die Blätter brach und die kleine Lichtung in eine andere Welt badete. Die Staubkörner, die darin wie funkelnde Diamanten tanzten. Die Zeit, die ihr Gesetz verlor. Und dann wieder diese Gesichterspiegel, die ihn so nackt erscheinen ließen. Die sich dem Grün der Wälder anpassten und bis auf den Grund seiner Seele blicken konnten.
Barshim hob wieder die Hand und legte sie gegen ihre Wange. Diesmal sah sie ihn an, als er sich vorbeugte und sich ihre Lippen erneut berührten.
Cashimaé schloss die Augen und wagte kaum, sich zu bewegen. Wollte diesen unendlichen Frieden, der in ihr war, nicht zerstören. Und dann zog er sie fest an sich und die Sanftheit wurde von Feuer überdeckt. Flutete in sie ein wie ein kostbarer Trank, den sie noch niemals trinken durfte. Von dem sie aber heute schon wusste, dass sie seinem Geschmack verfallen würde.
Der Wind stob an ihnen hinauf und ließ die tanzenden Diamanten durch die Baumkronen wirbeln.
Der Herzschlag der Alten Welt erklang in einem neuen Rhythmus zweier Liebenden. Die Elemente verschmolzen mit ihnen zu einem Ganzen und ließen die Unendlichkeit wahr werden.
Es war der erste richtige Kuss in Cashimaés Leben und er würde maßgeblich sein für jeden, der sie fortan küssen sollte. Keiner würde jemals wieder einen besseren zustande bringen. Die Tage gehörten ihnen und nichts auf dieser Welt konnte sie voneinander trennen. Selbst wenn der eine ganz woanders war, spürten sie einander, waren Eins.
Für Cashimaé war es etwas völlig Fremdes und Einzigartiges, das sie Stück für Stück wie ein neues Land erkunden und kennenlernen wollte.
Ob Cashimaé und Barshim auf den Klippen dem Wasser lauschten, in den Wäldern dem Wind oder ob sie auf den Hügeln lagen
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