Magie der Schatten 1 - Barshim und Cashi
um nichts anderes konnte es sich handeln, darin war sich der Kreis einig. Dass ihm dieses Wissen anvertraut werden würde?
Ja, gestand er sich ein. In dem Moment, als er begriff, was ihnen die Alte Magie überbracht hatte, wünschte er sich, einer der Auserwählten zu sein. Die Kraft, die von dem Elementar-Drachen ausgegangen war, hatte ihn fortgerissen und ihm neue Möglichkeiten eröffnet. Wie in einem Rausch. Wie eine Erinnerung, die er nicht greifen konnte.
Aus den alten Sagen wusste er, dass ihnen die Magischen Wesen manchmal menschenähnliche Kinder mit besonderen Fähigkeiten anvertrauten. Ihre Macht sei so groß, erzählten die Lehrer der Alten Welt, dass die Ihrigen sie nicht auszubilden vermochten.
Aber warum ausgerechnet Shorbo? Im Laufe des Lebens legte jeder Magier einen Zauber auf sich selbst, den Bann der Zeit. Sie blieben im Alter und Aussehen, wie sie es sich wünschten. Nur jünger werden war nicht möglich. Shorbo, der alte Kreisführer, hatte diesen schon lange abgelegt.
Tamin stand auf und ging zu den beiden Körben, die auf dem Tisch standen.
Nachdem sie nach Comoérta zurückgekehrt waren, zogen sich die Kreismitglieder zurück, um sich von den Strapazen der Reise zu erholen. Tamin meldete sich freiwillig, um über die zwei Neuankömmlinge zu wachen. Am Rande bekam er mit, dass sich Shorbo mit zwei anderen Magiern stritt, doch als sie ihn bemerkten, sprachen sie plötzlich über belanglose Dinge. Er war zwar das jüngste Mitglied, aber manchmal ärgerte es ihn sehr, wenn man ihn an offensichtlichen Geheimnissen nicht teilhaben ließ.
Schweigend betrachtete Tamin die zwei Kinder, während im Hintergrund ein Feuer im Kamin brannte. Ein kleiner Junge mit dunklen Haaren und ebenso dunklen Augen lag im rechten Korb. Tamin suchte seine Aura und spürte schon jetzt eine große Kraft. Aber auch etwas Dunkles.
In dem anderen Korb lag ein Mädchen, dessen Augen blau wie das Wasser und grün wie das Gras waren. Zudem besaßen sie ein Gelb wie die Augen des Drachen. Ihr Haar war ebenso braun wie das des Jungen. Sie strahlte Wärme und Liebe aus.
»Was seid ihr? Tag und Nacht? Licht und Schatten? Oder einfach nur Bastarde der magischen Wesen?« So wie diese Filyma, schoss es ihm durch den Kopf. Ein Kind, ein Mischling, entstanden aus der Liebe zwischen einem Magier und einer Charfea. Wesen, die zum Elbenvolk gehörten, und mit ihrer Schönheit auch den hartgesottensten Mann zu Fall brachten.
Barshim und Cashimaé. Allein der Gedanke, ein Magier und ein Drache … das waren Bilder, die sich Tamin gar nicht ausmalen wollte. Da er noch nie etwas davon gehört hatte, dass Drachen menschliche Gestalt annehmen können, war es schlicht ein Ding der Unmöglichkeit. Aber diese Kraft, die von diesen Kindern ausging, berührte die Sinne des Magiers, wie Tautropfen die Gräser am Morgen.
Tamin gestand sich ein, dass er sich niemals mit der Macht der Drachen auseinandergesetzt hatte. Schon gar nicht mit der der Elementar-Drachen, was als Kreismitglied ein unverzeihliches Versäumnis darstellte.
Doch wer rechnete schon damit, dass – wie Shorbo es ausdrückte – ein geborener Elementar-Schatten jemals zu ihnen kommen würde? Und dann gleich zwei. Der Magier nahm sich fest vor, seine Wissenslücken in der hiesigen Bibliothek zu füllen.
Noch einmal betrachtete er die Kinder, die so friedlich schliefen, als haben sie mit all dem, was um sie herum geschah, nichts zu tun. Barshim strahlte schon jetzt etwas Eigensinniges aus, das einem das Gefühl gab, nichts aus der Alten Welt könne ihm etwas anhaben, während er zufrieden an seinem Daumen nuckelte.
Tamin verstand, warum er Filyma zugesprochen worden war. Sie würden sich ergänzen. Filyma, die Prinzessin des Eises, wie sie alle im Stillen zu nennen pflegten. Die ihr Leben nach eigens erstellten Regeln aufbaute, auf Perfektionismus und der unergründlich tiefen Ruhe der Magie. Sie war eins mit den Elementen. Wie das Wasser, das zu Eis gefror und aus der Stille beobachtete. Doch wehe dem, der es wagte, sie anzugreifen. Sie war nicht harmlos wie ein kleines Mädchen, das den Schutz anderer bedarf. Sie war das Eis selber, heiß und feurig. Kalt und zerstörerisch zugleich. Barshims Energien wirkten ähnlich.
Cashimaé kam den seinen sehr nahe. Und doch wieder nicht. Ihre Aura umhüllte etwas Geheimnisvolles und Ungeklärtes und in diesem Moment beschloss Tamin, ihr Begleiter zu werden. Der sie leiten und lehren würde, egal, ob der Drache Shorbo dazu auserkoren
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