Magie der Schatten 1 - Barshim und Cashi
Gedanken an diesen Mann zog sie die Nase hörbar hoch und ihre roten, verweinten Augen blitzten wieder auf. Er hatte an sie geglaubt. Er allein wusste, dass sie auf dem Platz keine Hilfe benötigt hatte. Nur Barshim sah in ihr mehr als ein kleines Kind. Wie wohl seine Strafe ausfallen mochte?
Cashimaé glaubte, dass er nicht an den Prüfungen teilnehmen durfte. Der Kreis hielt nicht viel von Gerechtigkeit, dass wusste sie seit heute. Cashimaé erinnerte sich an die Augen ihres Ziehvaters, als man das Urteil über sie gesprochen hatte. Die junge Magierin war verletzt. Störrisch schlug sie mit der flachen Hand auf den Boden. Cashimaé war zu unerfahren, die politischen Dinge des Landes zu kennen und zu bewerten. Zu sehr mit sich selber beschäftigt und zu wütend. Cashimaé kannte nicht die Prüfungen, die benötigt wurden, um Kreismitglied zu sein, so dass ihr nicht in den Sinn kam, dass Shorbo nicht anders handeln konnte.
*
Barshim stand am Fenster. Mit der Schulter lässig ans Mauerwerk gelehnt, beobachtete er das Treiben auf dem Platz. Zufriedenheit bevölkerte seinen Geist. Er zweifelte keine Sekunde daran, dass ihm heute die Erlaubnis erteilt würde, im nächsten Frühjahr an den Prüfungen zum Kreismitglied teilzunehmen. Sein Allgemeinwissen überragte bereits das vieler Magistratoren. Sein Körper war gestählt und widerstandsfähig, Krieger durch und durch. Mit dem Schwert war er so schnell und stark wie mit dem Bogen.
Barshim stand jeden Morgen auf, wenn die Sonne gerade den Horizont berührte, und trainierte hart und leidenschaftlich. Er liebte es, wenn die Muskeln schmerzten. Wenn die Sehnen unter der Haut hervortraten, als würden sie jede Sekunde reißen. Er brauchte den Schmerz. Er verband damit das Leben. Darüber hinaus gehen, was der eigene Körper vorgab. Ohne Anwendung von Magie. Den Geist über das Fleisch siegen zu lassen. Es war eine Droge, die einen mitriss. Und wenn er kurz vor dem Zusammenbruch stand, noch einen drauf zu setzen und Magie anwenden, um auch die letzten Reserven in sich hervor zu locken. Andere würden es Raubbau mit sich selber nennen, für Barshim war es Genugtuung, Sieger über sich selber zu sein. Grenzenlos.
Seine schwarzen Augen leuchteten auf, wie er so über sich und sein Leben nachdachte.
Es gab für ihn keinen Zweifel, es gab keinen besseren Krieger und genau das Gleiche würde er auch mit Wissen schaffen. Am Ende würden Cashimaé und er als Kreismitglieder dem Land helfen, wieder feste Wege zu gehen. Barshim hatte nichts gegen die Kopfblinden, doch ihre Dichte nahm zu. Immer mehr kamen herüber und er würde herausfinden, warum das so war. Die alten Geschichten der Begründer der Kreise hatten den Menschen damals geholfen. Es war gründlich in die Hose gegangen, denn die Menschen kannten nur Habgier und so hatte man versucht die Magier und deren Macht auszunutzen. Die Zwei Brüder hatten sich sogar wegen der Menschen verfeindet und führten Krieg gegeneinander und was war der Dank? Falschheit und Lügen. Doch es herrschten andere Zeiten und soweit Barshim in den alten Geschichten in Erfahrung bringen konnte, waren Cashimaé und er genau deswegen hier. Neue Wege, neue Zeiten. Seine Sorge um Cashimaé lag in dieser Sekunde bei null. Warum sollte man sie bestrafen? Sie hatte doch nur eine Kopfblinde getötet. Er zuckte geistesabwesend mit den Schultern. Gut, dass sie gestorben war, hätte nicht sein müssen, aber wer sollte ihr aufgrund ihrer Unwissenheit einen Vorwurf machen? Sie war ein Kind des Drachen, wie er. Man würde sie eventuell verwarnen, doch dabei sollte es bleiben. Und dann, dann endlich würde ihre gemeinsame große Zukunft beginnen.
Tamin würde darin noch eine Rolle spielen. Da war sich Barshim sicher. Den Magier umgab eine seltsame Aura. Doch seine Machtgier hatte nichts mit dem zu tun, wohin Barshim wollte. Tamin war davon zerfressen. Warum diese Kühle und dunklen Nebel um seine Person und Vergangenheit lag, musste Barshim unbedingt herausfinden. Die Welt sollte keine Geheimnisse haben. Durch Cashimaé und ihn würde es auch keine mehr geben. Keine versteckten Pergamente oder Schriften, keine ausweichenden Fragen. Alle würden viel glücklicher sein, wenn es kein Schweigen mehr gab. »Genau so!«, sprach er laut aus und drehte sich mit Schwung um und stieß fast mit einer Frau zusammen, die gerade den Flur entlang kam. Sofort nahm er wieder seine kalte abweisende Haltung an, doch der Mantel in der weißen Farbe Liyiells, ließ ihn wachsam
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