Magie der Schatten 1 - Barshim und Cashi
dem Kreis. »Komm zurück, ich brauch dich als Zeichen für das Leben.«
Cashimaé rannte quer über den Hügel, um es wieder einzufangen. Im Zick-Zack-Kurs ging es Richtung Haus und kurz bevor es in einem Erdloch verschwinden konnte, warf sie sich hinterher und erwischte es.
»Dummes Tier, dummes.«
Sie musste sich erst einmal setzen, um wieder zu Atem zu kommen. Sorgenvoll blickte sie zum Himmel. Die Sonne war fast untergegangen. Ihr blieb nicht mehr viel Zeit, sonst musste sie morgen weitermachen. Was waren das für komische Regeln.
Zurück im Pentagramm versuchte sie, die Kerzen zu entzünden. Was sich unter freiem Himmel allerdings als schwierig erwies. Immer wieder kam Wind auf und löschten sie. Nun gut, sie würde Geduld zeigen. Aber es wurde zu spät und so sammelte sie alles ein und brachte es in den Stall. Morgen war auch noch ein Tag.
Doch der verlief auch nicht besser und mit jedem Fehlversuch wuchs ihre Wut und ihr Zorn. Als es dann auch noch zu regnen begann, hätte sie am liebsten alles weggeschmissen. Sie stand da, sah zu, wie das Isgrin in den Büschen verschwand, und starrte auf den See hinaus. Ihr braunes Haar hing nass und schwer die Schultern hinunter. Cashimaé sah nicht aus wie eine stolze Magierin, sondern wie ein nasses Häufchen Elend. »Was habe ich euch getan, dass ihr mich so bestraft?«, schimpfte sie lautstark mit den Elementen, beide Hände zu Fäusten geballt. Hatten sich alle gegen sie verschworen?
Sie zog die Nase hoch, es war zum Verzweifeln. Hexerei war blöd! Wie hatte sie glauben können, sie zu erlernen? Was sollte man schon von Kopfblinden erwarten, nur weil sie fähig waren, Bücher zu schreiben? Der Wind berührte sie sanft und zärtlich, als wolle er sie streicheln. Ein kalter Schauer erfasste ihren Körper.
Gib nicht auf, schien er ihr zuzuflüstern.
Sie umarmte sich selber und senkte den Kopf. Ich werde nicht aufgeben, dachte sie. Ich möchte mit euch wieder fliegen, ich möchte euch begleiten, ihr fehlt mir so, alles ist leer in mir, wenn ihr nicht da seid.
»Nuavera Sherafee.« Da war es wieder. Als Cashimaé die Stimme hörte, erschien direkt vor ihr im strömenden Regen auf dem See jene Gestalt wieder. Cashimaé glaubte, ihr Herz müsse zerspringen bei so viel Schönheit. Das Wesen setzte die bloßen Füße voreinander, doch waren es nur die Zehen, die die Oberfläche berührten. Zwischen die Tropfen des Regens mischten sich Kreise auf dem Wasser, die immer größer wurden. Eine Stimme raunte an Cashimaé vorbei, um sie herum und drang tief in sie ein und doch waren es nur Wortfetzen, die sie verstehen konnte.
- So erzähle ich euch eine uralte Geschichte … Die Zeit ist deine Schwester…
Nuavera… Einst sandten Leben und Tod vier Wächter in die alte Welt hinaus….-
Die Stimme erfasste das Mädchen wie im Rausch. Erst ganz leise, dann schwoll sie stetig an. Sie zog in ihr, versuchte etwas in ihr zu wecken. Es tat weh, ohne sie zu verletzen. Das Wesen kam auf sie zu, erreichte fast das Ufer, nur noch einen Schritt, die Worte glichen einem Orkan und als der Fuß das Gras berührte, wurde es vom Nebel erfasst, wirbelte die schlanke Fessel hinauf, umfasste die Gestalt und mit dem nächsten Augenaufschlag schrie Cashimaé laut los.
Sie drehte sich panisch um und rannte davon.
Am Ufer stand ein weißer Wolf mit roten Augen. Ein langgezogenes Heulen erklang in die Abendstunden, ehe das Wesen vom Regen in den Boden gewaschen wurde und verschwand. Cashimaé rannte ins Haus und schlug die Tür hinter sich zu. Angstvoll lauschte sie den Geräuschen und ließ sich mit dem Rücken an der Tür zu Boden gleiten.
Das Buch, bei allen Himmeln. Sie hatte das Buch draußen im Regen liegen gelassen. Doch um nichts in der Welt würde sie jetzt hinausgehen.
Sie schluchzte und vergrub das Gesicht zwischen den Armen. Es waren bestimmt Wächter, die Tamin zurück gelassen hatte, um ihr das Leben zur Hölle zu machen. Von wegen schön, eine Scheißangst hatte ihr dieses Vieh mit den scharfen Reißzähnen gemacht.
Kapitel 21
Die ganze Nacht regnete es. Cashimaé traute sich nicht aus dem Haus, aus Furcht, dem Wolf wieder zu begegnen. Sie war gerade dabei, die Küche zu säubern, als ihre Aufmerksamkeit durch ein Geräusch auf das Fenster gelenkt wurde. Sie erkannte Tamin. Doch kam er nicht allein.
Sie trocknete sich die Hände ab und eilte zur Tür. Tamin kam herein, dicht gefolgt von einer fremden Frau, die den azurfarbenen Mantel zurückschlug. Eine Flut von Locken
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