Magie der Schatten 1 - Barshim und Cashi
war sie am Überlegen, wie sie Tamin ablenken konnte. Das Hexerei-Buch lag wieder dort oben auf dem Dachboden unter ihrem Strohsack, doch viel geblieben war davon nicht. Der Regen war intensiv über die einzelnen Seiten hergefallen, hatte sie zerfleddert und ausgewaschen. Cashimaé hatte, soweit es möglich war, auf den entsprechenden Seiten die Schrift mit einem Stift wieder lesbar gemacht. Es gab darin viele unbekannte Kräuter. Mineshka erzählte ihr, dass sie sich in der Heilkunst auskannte. Dies war eine weitere Option, die sich ihr offenbarte und genutzt werden sollte.
»Wieso bist du bei Tamin?« Das Interesse, das Cashimaé zeigte, war nicht gespielt.
Mineshka lehnte den Kopf an die Beine. »Wir alle haben unser Los und unsere Strafe zu tragen. Ich ließ mich von einem Magier Natriells beeinflussen. Warum? Hm, ich denke es war Neugierde, Faszination, und…« Sie brach ab und ließ den Blick über den See schweifen.
»Dafür wurdest du bestraft?«, fragte Cashimaé nach.
»Im eigentlichen Sinne nicht. Ich legte mir diese Strafe selber auf. Ich bin geflohen, vor mir selber. Vor den Folgen, einfach vor allem. Ich habe die enttäuscht, die mir am liebsten sind. Habe sie belogen und verletzt. Meine einzige Möglichkeit wäre es…« Nun brach sie endgültig ab.
Jetzt musste sich Cashimaé wirklich ein Lachen verkneifen. Licht? Was erzählte die Priesterin eben noch für einen Schwachsinn von gleich behandeln und wert sein? Wenn dies bedeutet, sich selbst niederzumachen, war das das Dümmste, was sie je gehört hatte.
Selbstbetrüger, dachte Cashimaé. Die Sonne leuchtete auf sie herab und ließ die welken Blätter bunt erstrahlen. Ein kühler Zug erfasste die Anhöhe. Cashimaé erhob sich wieder. »Ich muss zurück, sonst darf ich nicht weiter lernen.«
Mineshka sah zu ihr hinauf. »Darf ich dich etwas fragen?«
»Ja?«
»Meinst du, wir könnten Freundinnen werden? Ich meine, so richtig. Dass man der anderen alles anvertrauen kann? Mit Dingen, die kein anderer weiß und auch niemals erfahren wird?«
»Wer oder was hindert uns daran?« Mit diesen Worten kehrte Cashimaé zu ihrer Arbeit zurück. Ihre Stimmung war deutlich gestiegen. Eines hatte sie durch den Vorfall in Comoérta gelernt: Vertraue niemandem!
Mineshka war dafür der lebende Beweis. Sie gab es sogar selber zu. Und Freundinnen? Cashimaé zerdrückte das Tuch in ihrer Hand. Mineshkas Interesse konnte nur falsch sein, denn Freunde fragten nach dem Namen.
Kapitel 22
In der Folgezeit gaben sich beide Mühe und erledigten die Arbeiten gemeinsam.
Mineshka schien ein wenig aufzutauen und teilweise sogar ihre Sorgen zu vergessen, doch sie sprach nicht darüber, was Schlimmes geschehen war und warum sie ihr Land verlassen hatte. Wenn sie von Liyiell sprach, dann nur von ihren Aufgaben, dem Land und auffallend oft vom Kreisführer. Meist nahmen ihre Züge etwas Warmes an, wenn sie Savinama erwähnte, manchmal jedoch schien sie traurig zu sein. Dann wieder wechselten ihre Stimmungen in Jähzorn und Unzufriedenheit, was Cashimaé oft die Hand in der Tasche zusammen ballen ließ.
Als Tamin eines Tages einen von Mineshkas Stimmungswechseln mitbekam, meinte er, sie habe einfach zu lange mit dem Falschen zusammen gelebt und das habe wohl abgefärbt. Er nahm ihre Launen geduldig hin und lachte auch darüber. Was wiederum Cashimaé zur Weißglut brachte. Sie musste sich ihr Ziel fast mit Gewalt vor Augen halten, um nicht unfreundlich zu werden.
Cashimaé verstand Mineshkas Auftreten nicht. Wurden die Magier Liyiells nicht als ruhig und ausgeglichen beschrieben?
Als der Schnee über das Land kam, ließ sie hin und wieder eine Frage zu Kräutern fallen und es bedurfte keiner großen Mühen, Mineshka um eine Erklärung zu bitten. Man stellte eine Frage und sofort erwachte die Oberlehrerin in der Priesterin.
Die Priesterin war so sehr mit sich beschäftigt, dass sie irgendwann damit begann, Cashimaé als Breva zu rufen. Sie musste Tamins Worte fehl interpretiert haben und setzte sie einfach in einen Namen um, ohne vorher zu fragen.
*
Als sich das Frühjahr näherte, bekam Tamin neue Nachrichten. Sie waren wohl nicht das, was er sich erhofft hatte und seine Laune verschlechterte sich zusehends. Mit jedem neuen Brief, der folgte, verschlimmerte sie sich. Er sprach entweder gar nicht oder fluchte und schimpfte vor sich hin, über Dinge, in denen ihm nur Mineshka folgen konnte. Cashimaé wurde in diese Unterhaltungen nicht einbezogen.
Tamin begann seine
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