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Magie der Schatten: Roman (German Edition)

Magie der Schatten: Roman (German Edition)

Titel: Magie der Schatten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Lisowsky
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und Schrecken starben, die gleiche Trauer spürten. Gräser verdorrten, wo er lief, aus Bäumen wurde das Mark gesaugt, und die Steine verformten sich wie Menschen, die sich im Schmerz krümmten. Er suchte nach dem Grund dafür, dass nur Dunkel und Trauer in seinem Herzen wohnten. Er suchte in den Gesichtern der Toten. Er suchte in dem Land, das hinter ihm brach, pechschwarz und brüchig wurde wie ein getrocknetes Gerippe. Aber weder das Land noch die Toten antworteten ihm. Er brachte König Karragaths Divisionen mit einem Fingerzeig zu Fall, er schleifte seine Burg mit einer einzigen Geste und verwandelte das Gebäude in ein verzerrtes, unheiliges Ebenbild seiner einstigen Pracht.
    Überall suchte er, doch er fand nichts.
    Nach Jahren, die er in dem Land zugebracht hatte, glich es ihm immer mehr. Dunkel und rätselhaft, einsam und in all seinem Schrecken – traurig. Er fand sich nicht einmal mehr selbst zurecht in den ewig gleichen schwarzen Ebenen. Da sagte ihm Sax, dass er sich ausruhen könne. Dieses Land sei jetzt seine Heimat, die er sich geschaffen habe.
    Und so stieg Dorian auf die höchsten Klippen des Westens, und die Schatten formten für ihn einen Thron aus Finsternis. Sie empfingen ihn wie einen Freund und umschmeichelten ihn. Er war sich nicht mehr sicher, ob sie aus ihm geboren worden waren oder ob es nicht andersherum gewesen war. Sax riet ihm, hier sitzen zu bleiben, und das tat er.
    Sax allerdings blieb nicht. Er verschwand, manchmal für Monate. Wenn er wiederkehrte, dann nur kurz. Aber Dorian blieb auf dem Thron sitzen, blickte in die Schwärze vor sich und in den Himmel, an dem die Herrschaft der Schatten keine Wolken mehr duldete. Meistens weinte er, aber er wusste nicht, warum.
    ***
    Seine kurzen Beine trugen Sax nur langsam über die Öde, aber er lief, so schnell er konnte. Er hatte jetzt lange genug gewartet. Ein törichter Mann hätte gesagt, dass es nun auf Minuten nicht mehr ankam, nach dieser halben Ewigkeit. Aber dieser törichte Mann hatte nie geliebt.
    Die Ruinen von Karragaths Stadt türmten sich vor ihm auf wie Berge. Dorians Schattenmagie hatte einen Schleier darübergelegt, der die Ruinen in höllische Mahnmale verwandelte. Zerschmolzene Formen, in denen man grausame Fratzen sehen mochte, wenn man wollte.
    Sax hielt auf die offene Tür eines kleinen Häuschens zu. Von allen Gebäuden der Stadt war es das einzige, dessen Wände noch standen und dessen Dach noch daraufsaß. Ohne einen einzigen Kratzer. Im ganzen Schattenland war es das einzige, was unberührt geblieben war. Das wusste er.
    Alles in seinem Innern zitterte. Jetzt würde sich zeigen, ob sich die Reise gelohnt hatte und all die Opfer.
    Er trat durch die Tür ins dunkle Innere.
    Für einen Augenblick herrschte Finsternis, dann glomm das Licht vieler Kerzen auf. Halb heruntergebrannt standen sie auf wachsbedeckten Haltern aus verblasster Bronze. Ihr warmes Licht erfüllte den Raum. Zeichnungen und Abbildungen arkaner Runen bedeckten die Tische, und es roch nach süß-ätzenden Alchemikalien.
    Er legte eine Hand auf die Tischplatte neben sich. Das konnte er jetzt. Er musste nicht mehr mühsam einen Schemel erklettern wie ein Gebirge. Nein, der Tisch reichte ihm bis zur Hüfte, und er musste sich herabbeugen, als er zwei Pergamente zurechtrücken wollte. Auch umschlossen seine Arme keine Haarkleider mehr, sondern die Ärmel der dunklen Gelehrtengewandung. Er griff sich ins Haar und strich sich durch die kurzen Locken.
    Es war wie ein Rausch. Und es war tausendmal mehr und wirklicher als das, was er sich erträumt hatte.
    »Bist du das?«, fragte eine Frauenstimme.
    Seine Knie zitterten. Er ging ins Labor hinein, immer eine Hand an einer Tischplatte, für den Fall, dass er das Gleichgewicht verlor. »Ich bin zurück«, sagte er, und es war die Stimme eines Mannes, nicht die eines krächzenden, hässlichen Gnoms.
    Im Kerzenschein tauchte sie auf, mit ihrem geflochtenen schwarzen Haar und der weißen Arbeitskutte. Ihre Augen strahlten. »Seltsam. Es fühlt sich an, als seist du lange weg gewesen.« Sie lächelte und legte eine Hand an die Brust. »Ich komme mir vor, als hätte ich sehr lange gewartet. Dabei wolltest du nur im Schuppen nach den Reservekolben sehen.«
    »Sie sind alle noch da«, hörte er sich sagen.
    Wahrscheinlich lächelte er gerade wie ein Idiot. »Tut mir leid, Nama.« Er breitete die Arme aus.
    »Weswegen?«, fragte sie und schmiegte sich in seine Umarmung. »Alles ist gut.«
    Sie war so warm und weich,

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